Schulung gefordert: Hilfe bei Beziehungsgewalt
Sowohl Frauen als auch Männer werden von ihren Partnern misshandelt. In Bremen fehlt es an Beratungsangeboten für MigrantInnen.
Passend zum heutigen Frauentag wollte die Bremer CDU vom Senat noch einmal ganz genau wissen, wie viele Frauen und Mädchen von häuslicher Beziehungsgewalt betroffen sind. 576 waren es in der Stadt Bremen im vergangenen Jahr – und außerdem 125 Männer und Jungen. Als Täter wurden mit 587 Personen überwiegend Männer ermittelt. Dem standen 82 Frauen gegenüber.
Überproportional oft betroffen sind Frauen mit einem Migrationshintergrund. Dies stellte zuletzt der Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ des Senats aus dem Jahr 2011 fest. Damals wurde bemängelt, dass es an Beratungsangeboten für diese Gruppe mangelt.
Auch in der Antwort auf die CDU-Anfrage taucht lediglich der Verweis auf eine Mitarbeiterin des AWO-Fachdienstes Migration und Integration auf. Diese bietet Sprechstunden an, in denen häusliche Gewalt auch ein Thema sein kann. Sie hatte auf Anfrage der taz bemängelt, dass der Einruck entstehen könne, alle Migrantinnen würden von ihren Männern geschlagen oder zwangsverheiratet. „Konflikte entstehen, wenn Frauen sich wehren. Das ist auch ein Zeichen von Integration“, so Cevahir Cansever damals.
Außerdem forderte sie, Beraterinnen ohne Migrationshintergrund zu schulen, um kulturspezifische Klischees abzubauen, mit denen sich migrantische Frauen oft konfrontiert sähen.
840 Kinder unter 14 Jahren wurden in der Stadt Bremen im vergangenen Jahr Opfer einer Straftat. Das ist das Ergebnis einer Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion an den Bremer Senat.
Mit 285 Betroffenen wurden die meisten dabei Opfer von Körperverletzungsdelikten, gefolgt von Diebstahl (231) und sexuellem Missbrauch (99). Bezogen auf die Gesamtzahl aller Straftaten waren Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen.
Zusätzlich zählte der Senat im Jahr 2013 55 aufgedeckte Fälle, in denen jemand Kinderpornografie besaß oder verbreitete.
Bemerkenswert ist dabei, wie selten es bei Anzeigen wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch zu Verurteilungen kommt. So wurden im Jahr 2010 im Land Bremen 79 von 117 Verfahren eingestellt, in 16 Fällen kam es zu Anklagen und nur zu vier Strafbefehlen.
In den Folgejahren sieht es ähnlich aus, wobei dabei viele Verfahren noch nicht abgeschlossen sind.
Auch zu den Täterinnen und Tätern, die Straftaten gegenüber Kindern begangen haben, wollte die CDU Informationen haben. Und erfährt: Männlich waren 2013 mehr als dreimal so viele wie weiblich. Bei den männlichen Tätern waren die meisten selbst Kinder, gefolgt von Jugendlichen.
Anders sieht es bei Straftaten aus, bei denen es um die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern geht: Hier waren es zwölf Mal so viele Männer wie Frauen und nur drei Täter waren Jungen unter 14 Jahren.
Das ist offenbar in der Zwischenzeit geschehen. Der Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen), Bernd Schneider, verwies auf eine von der Gleichstellungsbeauftragten des Landes Bremen organisierte Fortbildung für die Beratungsstellen, die Mitglied im von ihr koordinierten Arbeitskreis Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind. Sie habe 2012 eine Fachveranstaltung „Was hat Gewalt mit Kultur zu tun?“ durchgeführt.
Dass das Beratungsangebot für Migrantinnen ausbaufähig ist, räumte er ein. Bei der AWO seien „die Kapazitäten in sehr hohem Maße ausgelastet“. Zusätzlichen Bedarf gebe es auch in Bremen Nord, wo in Lüssum im kommunalen Haus der Familie eine türkischsprachige Mitarbeiterin ein paar Stunden Beratung zu Gewalt anbiete. „Auch das ist nach unserer Kenntnis unzureichend“, so Schneider. Der Arbeitskreis Häusliche Gewalt in Bremen-Nord habe die Senatorin bereits mit der Bitte um Aufstockung angeschrieben.
Wesentlich mehr Geld gibt es für den Verein Neue Wege, das einzige Bremer Projekt, das ein spezifisches Beratungs- und Begleitungsangebot zu häuslicher Gewalt macht und auch mit Tätern und Täterinnen arbeitet. 2011 hatte eine Mitarbeiterin der Gleichstellungsbeauftragten dessen städtische Förderung als „schlechten Witz“ bezeichnet. 15.000 Euro gab es jährlich. 2012 und 2013 waren es dann schon 30.000 Euro mehr. In diesem Jahr, so Schneider, sei die Förderung noch einmal auf 64.000 Euro aufgestockt worden.
Bislang keine Lösung gibt es für ein Problem, das die Sozialsenatorin Anja Stahmann 2011 bei der Diskussion des damals vorgestellten Berichts in der Bürgerschaft selbst ausgemacht hatte. Es müsse Beratungsangebote geben, „wo Frauen keine Angst haben, dass ihnen die Kinder weggenommen werden“, hatte sie damals angeregt. Denn häufig sei die erste Anlaufstelle für die Betroffenen das Amt für soziale Dienste, wo geklärt wird, wie die Familie weiter leben kann. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass viele Frauen diesen Schritt scheuen und in Bremen eine zentrale, niedrigschwellige Interventionsstelle fehle.
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