Schulstreik in Berlin: Jugend marschiert gegen Rassismus
2.700 SchülerInnen nehmen am Schulstreik teil. Sie protestieren gegen Rassismus und Abschiebung von Flüchtlingen. Ein bundesweites Bündnis formiert sich.
„AfD, Pegida, NPD – all das ergibt eine riesengroße Kackscheiße, gegen die wir auf die Straße gehen.“ Der 18-jährige Schüler Jan Börger spricht durch sein Mikrofon aus dem Lautsprecherwagen zu den DemonstrantInnen, die sich vor ihm auf dem Platz am Gesundbrunnen im Wedding versammeln. Ein großer gelber Bus, aus dem laute Musik schallt, kommt ratternd angerauscht; er zieht eine Gruppe von mehreren hundert SchülerInnen hinter sich her. Sie laufen schnellen Schrittes auf den Treffpunkt des Schulstreiks zu. Der Bus hatte die SchülerInnen an unterschiedlichen Schulen eingesammelt und zur Demonstration geleitet. Es ist elf Uhr morgens, Antifaflaggen werden gehisst und Sticker verteilt; die junge Leuten rennen aufgeregt herum, bevor sich der Demonstrationszug am Mittwoch in Bewegung setzt. An Schule denkt hier gerade niemand.
2.700 DemonstrantInnen haben sich nach Angaben der Polizei am Mittwoch am Schulstreik beteiligt. Sie sind gegen Rassismus auf die Straße gegangen. Veranstaltet wurde der Streik vom Bündnis „Refugee Schul- & Unistreik Berlin“. Gleichzeitig fanden bundesweit in 15 Städten ähnliche Schulstreiks in Solidarität mit Geflüchteten statt.
„Um dem Rechtsruck in Deutschland nicht nur mit vereinzelten Aktionen in unterschiedlichen Städten entgegen zu treten, wollen wir uns bundesweit koordinieren“, sagt Marvin Schutt, der im Block „Jugend gegen Rassismus“ in Berlin mitläuft. Die Gruppe, eine deutschlandweite Initiative, gibt es seit Anfang des Jahres. Sie möchte sich gegen Rassismus, gegen Krieg und weitere Verschärfungen des Asylgesetzes einsetzen. Marvin Schutt fügt hinzu: „Für die deutschlandweite Vernetzung wollen wir an den Bildungsstreik, der im Jahr 2011 bundesweit stattfand, anknüpfen.“
Vor allem gegen AfD
Der Demoroute führt vom Gesundbrunnen aus am Hauptbahnhof und auch am Landesamt für Soziales und Gesundheit (Lageso) vorbei. „Vor allem, weil die AfD so viele junge Leute anzieht, ist es wichtig, dass wir Schülerinnen ein Zeichen setzen!“, sagt die 14-jährige Schülerin Maike. Sie zeigt auf ein Demonstrationsschild mit der Aufschrift: „Rassismus ist nisch sexy!“
Sicherlich mag es dem ein oder anderen Streikenden an diesem sonnigen Tag darum gehen, die Schule zu schwänzen und durch die Straßen zu ziehen. Allerdings scheint der Anteil der SchülerInnen, der sehr ernst ein Zeichen gegen Rassismus setzen will, deutlich zu überwiegen.
„Wer Waffen liefern kann, kann auch Flüchtlinge aufnehmen“, steht auf dem Schild, das Eva hochhält. Sie muss rennen, um nicht den Anschluss an den schnellen Demonstrationszug zu verlieren. Die 16-jährige Schülerin trägt, wie ihre drei Freundinnen auch, ein selbst gemaltes Schild, weil sie keinem der auf der Demonstration vertretenen Blocks angehören möchte.
Nach zweistündigem Mitrennen reicht es der Schülerin aber auch. Sie sieht erschöpft aus. Vor allem geht es ihr ums: „Zeichen setzen, Zeichen setzen, Zeichen setzen“, sagt sie. Das hat sie gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?