: Schulkinder haben Impflücken
Weniger Kinder sind vor „harmlosen“ Krankheiten geschützt, warnt Robert-Koch-Institut
BERLIN afp/dpa ■ Schulkinder und Jugendliche in Deutschland haben deutliche Lücken bei Schutzimpfungen gegen Infektionskrankheiten. Bei einem erheblichen Anteil der Kinder fehlen zum Schuleintritt die empfohlenen Auffrischungsimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) gestern zum Auftakt der Europäischen Impfwoche mitteilte. Zudem mangele es bei älteren Kindern an Impfschutz gegen Keuchhusten sowie an der zweiten Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln. Besonders gravierend ist demnach die mangelnde Impfquote bei älteren Kindern in den alten Bundesländern.
Die Experten werteten repräsentative Daten von mehr als 16.400 Kindern und Jugendlichen von der Geburt bis 17 Jahren aus, die von Mai 2003 bis Mai 2006 im Rahmen eines bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitsüberblicks erhoben worden waren. Damit wurden erstmals Angaben zum Impfstatus in allen Altersgruppen erfasst.
Impflücken bestehen demnach besonders bei älteren Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ihnen fehlen zum großen Teil nicht nur Auffrischungsimpfungen, sondern häufiger auch Grundimmunisierungen. Am höchsten sind demnach fast alle Impfquoten bei Kindern aus Familien mit mittlerem sozialen Status. Bei Kindern aus Familien mit unterem sozialen Status wird die Schutzimpfung gegen Hepatitis B zwar häufiger begonnen, aber oft nicht abgeschlossen. Zudem fehlt oft auch die zweite Masernimpfung. Bei Kindern aus bessergestellten Familien fehlt allerdings noch häufiger als bei anderen die Schutzimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln.
„Eine Verbesserung der Durchimpfungsrate ist zwingend erforderlich“, erklärte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, in Berlin. Die Impfquoten in Deutschland seien immer noch zu gering. Er verwies auf die Gesundheitsreform, mit der alle von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen Schutzimpfungen seit 1. April Pflichtleistungen der Krankenkassen sind und von diesen gezahlt werden. Dazu zählen neben Standardimpfungen zum Beispiel gegen Pneumokokken, Windpocken und Kinderlähmung auch Impfungen gegen Humane Papillomaviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können, für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren sowie Impfungen gegen Grippe für über 60-Jährige.
Eine Ursache für die Impfblockade der Deutschen sieht RKI-Präsident Reinhard Kurth darin, dass viele Eltern bestimmte Krankheiten gar nicht mehr kennen. Masern zum Beispiel seien aber keine „harmlose Kinderkrankheit“. Eine Impfpflicht lehnten allerdings sowohl Staatssekretär Schröder als auch Kurth ab.
Aktuelle Impfempfehlungen veröffentlicht die ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut. Demnach wird zurzeit vor allem ein Schutz gegen Masern, Mumps, Röteln, Pneumokokken, Wundstarrkrampf, Hepatitis B, Keuchhusten, Windpocken, Diphtherie, Kinderlähmung und Grippe empfohlen.
Das Institut stuft außerdem fast den gesamten Süden Deutschlands als Risikogebiet für die durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung ein. Nach Analyse des Instituts sind in den Risikogebieten noch immer zu wenig Menschen gegen die von Viren ausgelöste Hirnhautentzündung geimpft.
Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen will in den kommenden Wochen eine Online-Datenbank zu den Nebenwirkungen von Impfungen freistellen. Dann könne jeder bei Verdachtsmomenten die Symptome vergleichen und Informationen recherchieren.