Schulessen: Eltern sollen zahlen
Mehrkosten für das Schulessen will der Senat überwiegend den Eltern aufbürden, den anfallenden Mehraufwand den Bezirken.
Der Kommentar des bildungspolitischen Sprechers der Grünen, Özcan Mutlu, zum „Konzept zur Qualitätsverbesserung des Schulessens im Land Berlin“ der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) war zwar selbst nicht besonders originell: „Der Berg kreißte – und gebar eine Maus“, so Mutlu. Doch traf er damit ins Schwarze: Was Scheeres auf drei Seiten an Vorschlägen präsentierte, war nicht gerade viel – zumal dem Konzept eine monatelange Debatte vorausgegangen war, die mit der Weigerung einiger Caterer, für die bisher üblichen Preise weiter Schulessen zu liefern, im Frühsommer begonnen und durch die Erkrankung vieler Kinder durch virusverseuchtes Großcatereressen an Aufmerksamkeit und Emotionalität gewonnen hatte.
Einen „Wechsel vom Preis- zum Qualitätswettberb“ will Scheeres künftig erreichen, indem Festpreise pro Essen bei den Ausschreibungen den Bewerber auszuwählen ermöglichen, der das qualitativ beste Angebot zum festgelegten Preis macht. Bisher gewann der günstigste. Zudem sollen die Mittel, die der Senat den Bezirken zur Bezuschussung des Schulessens überweist, künftig zweckgebunden ausgezahlt werden und damit nicht mehr für andere Zwecke verwendet werden können. Die Ausschreibung für die Belieferung der Schulen soll bezirksübergreifend einheitlich, aber weiter von den Bezirken durchgeführt werden – oder eventuell auch von einem Bezirk für alle.
Dies brachte Mutlus Fraktionskollegen Thomas Birk auf die Palme: Das Konzept gehe „voll zulasten der Bezirke“, der Senat ziehe sich heraus. Das mochten die Oppositionellen von der Linkspartei nicht ganz so sehen. Sie begrüße das vorgelegte Konzept „in den meisten Teilen“, so die bildungspolitische Sprecherin Regina Kittler. Kritik übt sie aber am wichtigen Punkt der künftigen Finanzierung des Schulessens: Von rund 2,50 auf etwa 3,25 Euro müsste der Preis pro Portion steigen, um Essen zu garantieren, das den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht, ergab eine vom Senat in Auftrag gegebene Studie.
30 Millionen Mehrkosten
28 bis 29 Millionen Euro mehr Geld bedeute das für den Landeshaushalt, wenn der Senat die Mehrkosten übernähme, hatten Linke und Piraten zuvor ausgerechnet. Scheeres will die Kostensteigerung für das Land kleiner halten: Mit 16,9 statt bisher 10,4 Millionen Euro solle der Senat bezuschussen. Den Rest sollen die Eltern zahlen. Deren Anteil stiege damit von derzeit 23 auf künftig 37,50 Euro bei einem Essenspreis von täglich 3,25 Euro. Kostete das Schulessen pro Portion 3 Euro, müssten Eltern 34,58 Euro zuzahlen.
Linke und Piraten lehnen diese Kostenerhöhung für Eltern ab: „Schulessen ist Teil des Bildungsangebots“, so Kittler. „Das Land muss dafür die Kosten übernehmen.“ Auch Pirat Martin Delius fordert, die bisherige Kostenbeteiligung von 23 Euro für Eltern beizubehalten: „Entstehende Mehraufwände“ solle der Haushalt „refinanzieren“. Scheeres will Lasten für bedürftige Familien durch einen „Härtefallfonds“ abmildern, der auch denen helfen könne, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Senatorin Scheeres will ihr Konzept nun in einer Steuerungsrunde mit den Senatsverwaltungen für Finanzen und für Wirtschaft, den Bezirken, ElternvertreterInnen und der Landesvernetzungsstelle Schulessen weiter konkretisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste