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Schulessen in CoronazeitenGenug Essen für alle da

Grünen-Landeschefin Nina Stahr will das Kita- und Schulessen während des Lockdowns an einkommensschwache Familien verteilen.

Das Schulessen könnte auch nach Hause geliefert werden, meint die Berliner Grünen-Chefin Foto: dpa

Berlin taz | Kita- und Schulessen soll in Zeiten des Lockdowns an einkommensschwache Familien geliefert werden. Das ist die Forderung von Familien- und Bil­dungs­po­li­ti­ke­r:in­nen sowie von Nina Stahr, Landeschefin der Berliner Grünen. Das Mittagessen sei für viele Kinder die einzige warme Mahlzeit des Tages. „Konkret heißt das: in Berlin haben viele Kinder derzeit jeden Tag Hunger“, sagt Stahr am Montag.

Schon jetzt gäbe es Schulen, die Kindern anbieten, Essen abzuholen. „Ich finde es gut, wenn Schulen sich Gedanken machen, aber es wäre besser, wenn es berlinweit eine grundsätzliche Regelung gibt“, sagt Stahr der taz. Sie persönlich bevorzuge ausgelieferte Essenkisten, von denen die ganze Familie mitessen kann. „So kommt es auch nicht zu Situationen, dass sich der Zweitklässler das Essen von der Schule abholt und die drei- und fünfjährigen Schwestern stehen daneben und haben Hunger.“

Eine Sprecherin aus dem Bundessozialministerium verweist auf die bereits getroffenen Regelungen: „Aktuell können die Mittagessen entweder zur Abholung bereitgestellt oder zum Beispiel von Caterern direkt in die Elternhäuser ausgeliefert werden. Die Umsetzung liegt bei den Kommunen.“

Das Wissen sei schon bei den Bezirken vor Ort, die mit Caterern kooperieren, vorhanden: „Ich bin mir sicher, dass die Bezirke eine gute Lösung finden“, sagt Stahr. Stahr könnte sich zum Beispiel eine Erhöhung des Hartz- IV-Satzes für die Dauer der Schul- und Kitaschließungen vorstellen sowie eine Umwidmung des Geldes, das normalerweise in Schul- und Mittagessen für die gesamte Schule fließt: „Das im Haushalt eingestellte Geld für das kostenlose Schulessen ist so bemessen, dass alle Grund­schü­le­r*in­nen kostenlos essen können.“

Geld umwidmen

Da aber nicht alle Kinder das Essenangebot in Anspruch nehmen, könne das Geld, das nicht gebraucht werde, umgewidmet werden. „Damit sollen Familien im Hartz-IV-Bezug mit Essen versorgt werden“, sagt Stahr. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) müsste das mittragen. Stahr sagt auf Nachfrage, sie wolle ihre Forderung nicht explizit als Aufforderung an Breitenbach verstanden wissen. „Aufforderung klingt so konfrontativ“, sagt Stahr. „Wir werden mit unseren Koali­tionspartnern ins Gespräch gehen und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das anders sehen.“

Für Stefan Strauß, Sprecher im Sozialsenat von Breitenbach, ist die Idee nicht neu, den Hartz-IV-Satz in Zeiten der Pandemie zu erhöhen: „Bereits im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten Berlin und Thüringen so einen Antrag im Bundesrat eingebracht.“ Die Bundesratinitiative fand jedoch nicht die nötige Mehrheit. „An der Dringlichkeit so einer finanziellen Hilfe für Bedürftige hat sich bis heute nichts geändert“, so Strauß.

Angesprochen auf die Forderung zur Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes verweist die Sprecherin des Bundessozialministeriums auf den eigenen Vorstoß: „Am Wochenende hat der Sozialminister Hubertus Heil noch einmal deutlich gemacht, dass es richtig ist, jetzt zügig einen Zuschuss für coronabedingte Belastungen zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis der Arbeiten bleibt abzuwarten.“

Am Montag haben Berliner Eltern auf der Online-Plattform change.org zudem eine Petition an Arbeitsminister Heil (SPD) für einen „Einkaufsgutschein“ pro Kind und Woche für ärmere Familien gestartet.

In einer vorherigen Version dieses Textes hatten wir die Aussagen zu der Mittagessen-Regelung und den Caterern der Berliner Senatsverwaltung für Soziales zugewiesen. Dies war falsch, wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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