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SchuldenbergTheater pleite, Frey geschasst

Fast 4 Millionen Miese - Theater-Intendant muss früher gehen

Theaterintendant Hans-Joachim Frey Bild: dpa

Der Aufsichtsrat des Bremer Theaters hat am Montag die Laufzeit des Vertrages mit dem Intendanten Hans-Joachim Frey um zwei Jahre verkürzt. Das Gremium reagierte damit auf ein neues Finanzloch von rund 700.000 Euro am Theater. Frey bleibt jetzt nur noch für die angelaufene Spielzeit im Amt, sein Vertrag endet am 31. Juli 2010. Ursprünglich sollte er bis 2012 bleiben. Er wird allerdings bis 2012 als "Berater und künstlerischer Leiter" der Open-Air-Seebühne in Gröpelingen vorstehen.

Frey sagte es handele sich um "eine persönliche Entscheidung". Er habe um die Vertragsverkürzung gebeten, "um die Debatte um Marie-Antoinette in diesen Zeiten" - gemeint war die Wirtschaftskrise - "zu beenden". Kultursenator Jens Böhrnsen (SPD) sagte es sei "kein Zufall", dass die Vertragsverkürzung und die Marie-Antoinette-Verluste in derselben Sitzung besprochen worden seien. Gleichzeitig äußerte Böhrnsen "Respekt" für die Arbeit Freys.

Am Montag war bekannt geworden, dass das Defizit des Bremer Theaters noch höher war, als bisher erwartet. Nachdem die Kulturdeputation das Finanzloch vor den Sommerferien mit 3,3 Millionen beziffert hatte, sind es laut Senat nun rund 4 Millionen Euro.

Vor allem der Verlust aus dem Musical "Marie Antoinette" hatte sich deutlich erhöht. Bislang waren 1,5 Millionen Euro Miese erwartet worden - jetzt sollen es etwa 2,5 Millionen sein. Dieses Defizit setzt sich zu jeweils 50 Prozent aus Kostensteigerungen und ausbleibenden Umsatzerlösen zusammen. Das im Kerngeschäft des Theaters verursachte Minus von 1,5 Millionen geht laut Senat auf erhöhte Marketing-Aufwendungen und Kostensteigerungen für "Aida" zurück.

Der Aufsichtsrat beschloß deshalb einen einschneidenden Konsolidierungsplan. "Nach diesen für mich erschreckenden Zahlen haben wir nun ein ganzes Maßnahmenpaket zusammengestellt, um das Theater wieder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen," sagte Böhrnsen. Der Repertoirebetrieb solle "bei gleichzeitiger Konzentration auf das Kerngeschäft wieder eingeführt" werden. "Mit einem hohen Risiko behaftete Sonderprojekte wird es nicht mehr geben," so Böhrnsen.

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1 Kommentar

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  • CE
    Chris Etorg

    Hans-Joachim Frey zum Generalintendanten zu berufen war in Kreisen von Theaterkenner eine Überraschung, die mit äußerster Skepsis kommentiert wurde. Er war ein Operndirektor der barocken Denkart. Pracht, Feste und aufwendiges Marketing waren sein Profil. Und er war ein Selbstherrscher, der nur seine Meinung gelten lassen wollte. Der Theaterleitung in Dresden warf er bei seinem Weggang großspurig vor, die "Semper"-Oper nicht professionell zu führen. Seine vor der Wahl in Bremen gegebenen Versprechungen, das Bremer Theater kostengünstiger zu führen und trotzdem auf höchster Qualität war die Ankündigung eine "eierlegenden Wollmilchsau" zu präsentiert. Wer ihn dann wählte wählte den Selbstbetrug.

    Bremens Theater braucht meiner Meinung nach eine andere Leitungsstruktur und nicht ein verfeinertes externes Controlling. Letzteres kann Entwicklungen niemals wirklich nachvollziehen oder gar Risiken vorab einschätzen, dafür sind die Prozesse der Steuerung eines Theater viel zu komplex. Dem Vorbild Kölns, Frankfurts, Dortmunds oder Stuttgarts folgend sollte das 3-Sparten-Haus über einen Geschäftsführenden Intendanten und über Intendanten für die Sparten Schauspiel und Oper/Tanztheater/Ballett gesteuert werden. Ersterer hat keine künstlerischen Rechte, hat aber die Steuerung des Gesamtetats in einem kollegialen Leitungsteam zu verantworten. Er ist nicht Vorgesetzter der Intendanten-Kollegen, aber hat in Etatfragen das Letztentscheidungsrecht. Das dies geht, "zu dirigieren ohne zu diktieren" haben Geschäftsführende Intendanten wie Bernd Fülle (Frankfurt (zuvor Köln)), Hans Tränkle (Stuttgart), Peter Raddatz (Köln; jetzt neuer Chef der Opernstiftung in Berlin bewiesen. Ihren Rat sollte sich der Bremer Senat getrost einmal einholen.

    Ausserdem muss der Senat endlich das Theater entschulden um ihm eine realistischer Chance zu geben, nicht mit Etatlöchern sondern künstlerischer Qualität Schlagzeilen machen zu können. Dafür wäre sicher auch eine laufende Etaterhöhung wichtig, aber ich weiß, Bremen hat da existentielle Schwierigkeiten. Ein Theater macht auf hohem Niveau eine Stadt attraktiv, ein Theater ohne Niveau bringt einem Oberzentrum hingegen wenig bis nicht. Wenn aber ständig aufwendige Straßenpflasterungen wichtiger sind ... es sind halt Entscheidungen der Politik und nicht der leeren Kasse! "Wem Gott ein Amt gibt, gibt ihm auch einen Geist" - Leider bin ich Atheist und kann das nicht unbesehen glauben.