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Schüsse in SchönebergVom Tellerwäscher zum Sneaker-Millionär

In der Scheibe des Sneaker-Ladens von Stepan Timoshin wurden am Montag Einschusslöcher entdeckt. Dem Jungunternehmer wird Täuschung vorgeworfen.

Der selbstüberzeugte Jungunternehmer erhält weniger als 1 Prozent der Stimmen zur Wahl des Hertha-Präsidenten Foto: Soeren Stache/dpa
Lilly Schröder

Aus Berlin

Lilly Schröder

Gewalt ist keine Lösung. Dennoch dürfte es für manche wenig überraschend kommen, wenn sie zur Zielscheibe werden. So etwa Stepan Timoshin alias der „Sneaker-Millionär“, in dessen Schaufensterscheibe seines Sneaker-Shops „Vaditim“ in Schöneberg am Montag ein Einschussloch entdeckt wurde.

Nach Angaben der Polizei wurde in der Nacht zu Montag auf den Laden in der Kleiststraße geschossen. Zudem soll laut Berichten der B.Z. in einem Lüftungsschacht ein Brief ohne Aufschrift gefunden worden sein. Spekuliert wurde über Schutzgelderpressung. Nachdem es in den vergangenen Wochen vermehrt zu Schüssen auf Gebäude gekommen war, hatte die Berliner Polizei Gewerbetreibende vor gewalttätigen Schutzgelderpressungen gewarnt.

Ob hinter den Schüssen auf Timoshins Schaufenster Schutzgeldforderungen oder andere Motive stecken, ist unklar. Fest steht: Er polarisiert – und hat sich in der Berliner Start-up-Szene Feinde gemacht.

Der 24-Jährige gebürtige Lette kam im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie nach Berlin. In einem Podcast bezeichnete er sich als einen „einfachen kleinen Jungen aus Marzahn“. Es folgt seine Aufstiegserzählung: Mit 14 habe er begonnen, mit limitierten Sneakern zu handeln, gründete den Sneaker-Handel „Vaditim“ und eröffnete 2018 – noch minderjährig – seinen Sneaker-Laden in Schöneberg. Innerhalb weniger Jahre habe er seine erste Million verdient, sei zum „mehrfachen CEO“, Investor und Unternehmensberater aufgestiegen. 2023 sollen seine Firmen nach eigenen Angaben mehr als 100 Millionen Euro umgesetzt haben.

Niederlage bei der Wahl zum Präsidenten des Hertha BSC

Die Medien berichteten von Timoshins Aufsteigerstory und tauften ihn den „Sneaker-Millionär“. 2024 kandidierte der Jungunternehmer für das Amt des Hertha-Präsidenten und kündigte an, den „Saustall auszumisten“. Keiner seiner Kontrahenten hätte „die Eier, das zu machen“. Seine Hybris überzeugte nicht: Er erhielt 15 der 3.651 gültigen Stimmen.

Bei seinem Vorhaben begleitete ihn der Dokumentarfilmer Klaus Stern. Die Doku „Der Präsident“ erschien am Montag auf 3sat. Bereits 2023 begleitete der SWR Timoshin für eine Doku der Reihe „Money Maker“. Darin zeigte dieser sich gewohnt luxuriös: in Lamborghini, Privatjet und bei seiner Hochzeit an der Côte d’Azur. Ähnlich dekadent inszeniert sich Timoshin auf Instagram.

Seine schrille Selbstvermarktung wirkt: Auf Instagram hat er über 120.000 Follower, auf Tiktok rund 164.000 und 7 Millionen Likes. Dort verbreitet er vor allem rechtes Gedankengut: „Während unsere Rentner Pfandflaschen sammeln, finanzieren wir straftätige Ausländer“, schwadroniert er vor seinem Sneaker-Regal im Schöneberger Shop. „Wer Sozialgeld kassiert, Frauen belästigt und Gewaltstraftaten begeht, muss bedingungslos abgeschoben werden.“ Auch sonst gibt er seinen Senf zu allen möglichen Themen dazu: Warum der Mietendeckel „völlig sinnlos“ sei, warum „jeder Lehrer einen Lamborghini Aventador fahren sollte“ oder wie die „angeblich so tolerante“ Links-Fraktion „unsere Freiheit klaut“.

In Beiträgen auf Linkedin philosophiert Timoshin über Mitarbeiterzufriedenheit und Work-Life-Balance. Recherchen des Spiegel legen jedoch nahe, dass der Selfmade-Millionär Rechnungen nicht beglichen, Gelder missbräuchlich verwendet und Teile seiner Biografie geschönt haben könnte. An seiner Behauptung, er habe es aus schwierigen Verhältnissen nach oben geschafft, kommen Zweifel auf. Der „Schwindler von Schöneberg“, wie der Tagesspiegel ihn taufte, bestreitet die Vorwürfe.

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