SchülerInnen auf Spurensuche: Ehrenbürger Adolf H.
Hitler war Ehrenbürger der schleswig-holsteinischen Stadt Uetersen. Die acht Schüler, die das aufdeckten, sind nun mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet worden.
Nur bis 1945? „Wir fragten uns, ob es auch ein Dokument gibt, dass die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde belegt“, erinnert sich der 15-jährige Florian Steig. Im Museum gibt es darauf keinen Hinweis. Zunächst vier Schüler wollen es genau wissen und fragen nach. Als Erstes bei der Uetensener Bürgermeisterin Andrea Hansen (SPD). Doch die kennt kein Dokument, das eine Aberkennung belegt. Stattdessen verweist sie auf einen Wikipedia-Eintrag, in dem es heißt, Hitler sei die Ehrenbürgerwürde „nach Kriegsende“ aberkannt worden.
Doch Wikipedia reicht den Jugendlichen als Quelle nicht. Inzwischen auf eine achtköpfige Gruppe angewachsen, befragen sie den örtlichen Bürgervorsteher Adolf Bergmann (SPD). Der will etwas von zwei Büchern wissen, in denen die Aberkennung dokumentiert worden sei. Aber die sind leider spurlos verschwunden. Auch der Autor des Wikipedia-Eintrags, den die Schüler ausfindig machen, kann keine seriöse Quelle vorlegen.
Inzwischen hat die Uetenser Bürgermeisterin den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags um Hilfe gebeten. Der behauptet in einer Expertise ebenfalls, dass Uetersen Hitler die Ehrenbürgerschaft nach dem Krieg aberkannt wurde – doch auch er nennt keine Quelle. „Die Formulierungen der Gutachter ähnelten den Worten des Wikipedia-Eintrags“, sagt Christopher Babecki, einer der recherchierenden Schüler. Im Uetensener Stadtarchiv, klärt der Dienst die Schüler auf, müssten sie fündig werden. Der Tipp hat einen Haken. „Leider gibt es bei uns kein Stadtarchiv“, berichtet Schüler Arvid Maiwald.
Die Bertini-Preise werden am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus verliehen.
Zum 18. Mal wurden die Preise in diesem Jahr vergeben, 64 Jugendliche wurden am Mittwoch im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater ausgezeichnet.
Der Name der Würdigung geht auf den Roman „Die Bertinis“ zurück, in dem der 2014 verstorbene Schriftsteller Ralph Giordano das Schicksal seiner jüdischen Familie während der Zeit der Nationalsozialisten in Hamburg schildert.
Neben den Uetensener Schülern erhielten in diesem Jahr vier weitere Schulprojekte den Preis:
„Leben mit Behinderung“: Stolperstein in Finkenwerder für Hermann Quast. Ein Projekt von SchülerInnen der gemeinsamen Oberstufe der Stadtteilschule und des Gymnasiums Finkenwerder.
„Sport mit Flüchtlingen“: Projekt von SchülerInnen des Gymnasiums Bondenwald.
„Let me speak – Songs zum Thema IS und PEGIDA“: Projekt von SchülerInnen der Stadtteilschule Wilhelmsburg.
„Überleben – Eine szenische Lesung wider das Vergessen“: Projekt des Abiturjahrgangs des Johanneums.
Doch für den Wissenschaftlichen Dienst ist es gar keine Frage, ob Hitler noch Ehrenbürger ist oder nicht: „Mit dem Tod der geehrten Person erlischt die Ehrenbürgerschaft ohnehin“, heißt es.
Aus der Kieler Staatskanzlei bekommen die Schüler von dem dortigen Experten eine ebenso eindeutige Auskunft. „Eine Ehrenbürgerschaft endet nicht mit dem Tod.“ Kurz darauf streiten die eingeschalteten Historiker und Juristen miteinander wie die Kesselflicker. Zur Aufklärung des Sachverhalts aber tragen sie damit nicht bei.
Nach anderthalb Jahren Recherche stehen die Schüler im Winter 2015 wieder am Anfang. Doch nachdem sie am Anfang Dezember einen Film über ihre Recherche ins Netz stellen und die Bild-Zeitung das Thema aufgreift, geht alles plötzlich ganz schnell. Am 15. Dezember beschließt die Uetensener Ratsversammlung Adolf Hitler ganz offiziell die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.
Als Belohnung für ihre Hartnäckigkeit nahmen die Uetensener Schüler am Mittwoch im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater nun einen von fünf Bertini-Preisen entgegen, mit denen jedes Jahr SchülerInnen aus Hamburg und dem Umland ausgezeichnet werden, die sich für ein solidarisches Zusammenleben einsetzen (siehe Kasten). „Wir fühlten uns lange nicht ernst genommen“, erinnert sich Florian Steig an die Zeit, als die Gruppe mit Wikipedia abgespeist wurde, während der Laudator noch einmal die Zivilcourage der jungen Preisträger lobt.
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