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Archiv-Artikel

Schüler lernen, nützlich zu sein

Das Konzept des „Service Learning“ aus USA soll auch an deutschen Schulen eine feste Größe werden. Auf einem Kongress in Bensberg diskutierten Experten ihre Erfahrungen

KÖLN taz ■ Wie lernen Kinder, sich für die Gemeinschaft einzusetzen? In den USA hat man darauf seit Anfang der 90er Jahre eine Antwort. „Service Learning“ heißt das Konzept, das sich dort an immer mehr Schulen durchsetzt. In Deutschland ist diese praxisorientierte Art des Unterrichts noch so neu, dass es keinen eigenen Begriff dafür gibt.

Im Bensberger Kardinal-Schulte-Haus des Erzbistums Köln trafen sich in dieser Woche 110 Lern- und Erziehungsexperten aus Deutschland, Schweden, Dänemark, Spanien und Argentinien zum Erfahrungsaustausch über dieses Konzept, das „Lehrstoff und Lernmethode zugleich“ sein will, wie Joseph Follman, Direktor des Programms „Florida Learn & Serve“, in seinem Eingangsreferat feststellte.

Dafür hat der Experte in 15 Jahren Praxis verschiedene Schlüsselelemente herausgearbeitet. Zum Beispiel die Selbstständigkeit der Kinder: „Die Schüler übernehmen eine gemeinnützige Aufgabe. Wichtig ist, dass der Lehrer nicht vorab bestimmt, was gemacht wird. Die Schüler müssen sich ihre Aufgabe selbst erschließen, sonst verlieren sie sehr schnell das Interesse.“

Das kann Thomas Möltgen, Leiter des Fachbereiches Freiwilligenarbeit bei der Caritas, nur unterstreichen. „In Köln gibt es ein Projekt von Zehntklässlern des Irmgardisgymnasiums. Erst hieß es, sie sollten Senioren im Altenheim besuchen.“ Doch dann kam es anders. Die alten Damen erzählten den Schülern nämlich, wie gerne sie früher im Garten gearbeitet hätten. Doch das war ihnen aus gesundheitlichen Gründen jetzt nicht mehr möglich. Umso schmerzhafter sei es für sie, die lieblos ungepflegten Pflanzkübel der Wohnanlage anzuschauen. Und so setzten die Schüler unter fachkundiger Anleitung der Seniorinnen neue Beete. Die Kübel verschwanden.

„Man lernt am besten, wenn man es anderen beibringen muss“, ist ein weiteres Credo von Follmann. „Es gibt kein Alters- oder Intelligenzlimit. Wir haben in einem Projekt in Florida Menschen mit einem IQ von 65. Sie bringen Krankenhauspatienten bei, wie man wäscht, kocht und putzt – und lernen dabei, auf sich selbst aufzupassen.“ Und Service Learning sei keinesfalls der „Hilfselite“ vorbehalten. „In Florida gibt es einige Projekte mit Kindern, die benachteiligt sind – oft hispanischer, afrikanischer und asiatischer Abstammung.“ Unabdingbar seien immer wiederkehrende Phasen der Rekapitulation. „Man lernt etwas nicht nur, indem man es tut, sondern auch, indem man darüber nachdenkt“, sagt Follman. Die Schüler sollten ihre Ergebnisse öffentlich präsentieren und die gebührende Anerkennung dafür ernten. „Wenn gemeinnützige Arbeit als Strafe angewendet wird, ist sie natürlich nicht hoch angesehen“, so Follman.

Die Caritas, eine der Organisatorinnen des Kongresses, bietet Zusammenarbeit an. Sie will den Schülern für Projekte ihre Einrichtungen öffnen. „Schließlich sind schon jetzt in der Erzdiözese Köln 25.000 Caritas-Mitarbeiter Ehrenamtler“, weiß der deutsche Caritas-Vizepräsident Norbert Feldhoff. Wenn Service Learning in Deutschland dennoch Zukunftsmusik bleibt, liege das vor allem an straffen schulischen Lehrplänen. „Eine reelle Chance hat das nur in Ganztagsschulen“, sagt Thomas Möltgen. Ute Kumpf von der SPD-Bundestagsfraktion hakt ein: „Die offene Ganztagsschule bietet sich für solche Projekte geradezu an.“ Inge Brunner