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Schrottreife S-Bahnen in BerlinVerkehrsministerium fordert Neukauf

Das Verkehrsministerium fordert, den Fuhrpark der Berliner S-Bahn komplett zu erneuern. Die 200 bis 600 Züge könnten die Bahn bis zu zwei Milliarden Euro kosten.

Elefantenfriedhof: Berliner S-Bahn-Züge am Mittwoch auf den Gleisen der Hauptwerkstatt Schöneweide. Bild: dpa

BERLIN taz | Die krisengeschüttelte Berliner S-Bahn braucht dringend neue Züge – weil der Fuhrpark des Tochterunternehmens der bundeseigenen Deutschen Bahn (DB) offensichtlich zu großen Teilen schrottreif ist. "Wir sind uns einig, dass die derzeitigen Maßnahmen in der Wartung und Erneuerung der bestehenden S-Bahnen in Berlin nicht ausreichen, um die Probleme dauerhaft zu lösen", sagte der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Klaus-Dieter Scheurle (CDU) am Donnerstagabend in Berlin, nachdem er sich mit Bahnchef Rüdiger Grube und Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg getroffen hatte.

Mittelfristig komme man in Berlin nicht darum herum, den Fuhrpark komplett zu erneuern. "Wir reden von 200 bis 600 Zügen", so Scheurle, der auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt. Diese könnten bis zu zwei Milliarden Euro kosten.

Seit eineinhalb Jahren fährt die S-Bahn nur ein eingeschränktes Angebot, da sie technische Probleme mit Zügen hat, vor allem mit denen der neuesten Baureihe 481. Anfang Januar musste sie vorübergehend den Betrieb auf wichtigen Linien einstellen; von mehr als 600 sogenannten Doppelwagen konnte sie nur rund 250 einsetzen.

Pikant ist: Die Züge der Pannenbaureihe 481 sind noch in einem jungen Alter. Normalerweise halten solche Wagen 30 bis 40 Jahre - die Problemwagen sind aber erst zehn bis 15 Jahre alt. Wer ist schuld daran, der Hersteller oder der Betreiber? Anders gesagt: Haben die Züge Konstruktionsfehler, oder wurden sie mangelhaft gewartet? "An beidem ist etwas dran", heißt es im Bundesverkehrsministerium. So habe die S-Bahn in den vergangenen Jahren zu viel Personal und Kapazitäten in den Werkstätten abgebaut.

Mit den Rationalisierungsmaßnahmen wollte die S-Bahn Kosten drücken, um ihrem Mutterkonzern Jahr für Jahr höhere Gewinne überweisen zu können. Den hatte Ex-Bahnchef Mehdorn auf Börsenkurs getrimmt. Der Börsengang wurde nur wegen der Finanzkrise abgesagt.

Verkehrsstaatssekretär Scheurle möchte nun nach vorn schauen und das S-Bahn-Problem grundsätzlich lösen. "Wir wollen keine Zeit mehr verlieren." Immerhin dauere es von der Bestellung bis zur Produktion vier bis fünf Jahre, bis neue Züge gebaut sind. Scheurle will sich nun mit der Berliner Senatsverkehrsverwaltung und dem Brandenburger Verkehrsministerium zusammensetzen.

Hintergrund: Der Verkehrsvertrag mit der S-Bahn läuft 2017 aus. Möglicherweise schreiben Berlin und Brandenburg danach Teile des Vertrags neu aus. Bei einer Fremdvergabe hätte die Bahn die schönen neuen S-Bahn-Wagen umsonst gekauft. Möglich wäre, dass ein neuer Betreiber die von der Bahn gekauften Züge übernimmt, die technisch bedingt nur in Berlin einsetzbar sind.

Berlins Regierender Bügermeister Klaus Wowereit (SPD) reagierte am Freitag skeptisch auf Scheurles Vorstoß. Die Bahn sei ohnehin vertraglich verpflichtet, in bestimmten Abständen neue Züge anzuschaffen.

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8 Kommentare

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  • MT
    Mike Tokuyucu

    Wenn die Deutsche bahn vorhaut, den 481er Mist schon wieder zu verschrotten, so wie sie es krankhafterweise mit der BR 475, BR 476, BR 477 und BR 485 gemacht hat, dann soll sie bitte bitte den 481er auch noch verschrotten und die 2 Milliarden Euro bitteschön dafür verwenden, die Altbauzüge wieder herstellen zu lassen. Denn es ist völlig egal, wie alt und überholt deren Technik auch sein mag. Sie war zuverlässig, verursachte nahezu keine probleme, die Altbauzüge waren und sind ein kulturweller Teil dieser Stadt. Na und, dann erfordern sie eben höhere Wartungskosten usw. macht euch bloß nicht die Hände schmutzig. ich bin selbst mitglied im historischen s bahn verein. und die historischen züge sind die einzigen, in die ich überhaupt noch einsteigen werde.

    PS: danke s bahn und db, daß ihr auch noch unsere historischen s bahnhöfe papestraße, lehrter stadtbahnhof und ostkreuz abgerissen habt, anstatt sie zu sanieren, zu erhalten und eine attraktion für touristen hättet darbieten können. für zehntausenden von menschen und es werden täglich mehr, die den blick in die vergangenheit richten werden, und unsere heiß gelibten stadtbahner werden wieder präsent werden. es ist einfach nur noch krass, was hier abgeht. freue mich übrigens schon auf die nächste empörungswelle im sommer, wenn wieder 481er auf der strecke ausfallen, weil der böse böse sommer wieder da ist!!!

  • C
    Cyclist

    als ehemaliger Angestellter(in der Endmontage) eines großen Triebfahrzeugherstellers in Hennigsdorf kann ich über die Problematik bei der "neuen" S-Bahnreihe nur lachen.

     

    Früher war es üblich, dass der KÄUFER(DR) die Bedingungen stellte, welchen Anforderungen das Schienenfahrzeug erfüllen muss. Außerdem wurde immer eine NULLserie produziert, die ausgiebig durch Gütekontrolle (neudeutsch: Controlling) -im Rahmen des Pflichtenheftes vom Käufer- im Beisein des Käufers getestet wurde.

    So weit ich weiß, hat ja wohl die DB-AG die Fahrzeuge auf Grund bestimmter Sparzwänge "mitkonstruiert".

    Wenn natürlich im Rahmen des Wettbewerbes alles nur noch "schnell,schnell" gehen muss und möglichst nichts kosten darf und dann noch eine Technikgläubigkeit obendrauf gesetzt wird (nur noch mit CAD-CAM am PC konstruiert und getestet-bin aber kein Feind der EDV,wenn diese sinnvol genutzt wird. wird - dann wundert mich das K.O der S-BAHN nicht.

    EDV:elektron. Datenverarbeitung oder auch E nde D er V ernunft)

    Neuerdings sind ja die Käufer(User) die Tester!

    Aber das ist ja in der Autoindustrie auch der Fall. Denn da zeigen sich Mängel,die seit der Erfindung des Autos eigentlich nicht mehr sein dürften.

    Mich wundert nur, dass die älteren Fahrzeuge (BR465) über 40 Jahre gefahren (wurden aus der Not immer wieder aufgearbeitet) sind -waren wohl überdimensioniert- dafür aber offensichtlich robuster.

    Wenn man auf Grund des Börsengangs (Mehdorns Erbe) dann noch die "Colabüchsen" (BR 485) verschrottet -dann modernisiert man den übriggebliebenen Teil (ca. 20 Viertelzüge)- dann wundert mich hier nichts mehr.

  • SF
    Sissy Fuß

    @Waage: Die Züge sind nicht irreparabel kaputt, sondern der Wartungsaufwand ist zu hoch. Man steckt gewissermaßen in wenigen Jahren noch einmal soviel Geld in Reparaturen wie vorher in die Neuanschaffung. Ironie am Rande: Der hohe Wartungsaufwand war ein Grund, warum der Bau der „älteren“ Baureihen 480 und 485 nicht fortgesetzt wurde. Die neuen Züge sollten wartungsfreundlicher und im Betrieb günstiger sein. Am Anfang waren sie das wohl auch. ;-)

     

    @flippah: Noch einer, der glaubt, der Markt wird alles richten. Guck mal nach England! Ansonsten geht das ohnehin nicht, weil die Tunnel und Unterführungen für das niedrigere Lichtraumprofil der oberleitungslosen S-Bahn-Züge gebaut worden sind. Da ist schlichtweg kein Platz für eine Oberleitung. Viel Spaß bei der Neuerrichtung des Nord-Süd-Tunnels!

  • KH
    Karin Haertel

    Herr Mehdorn hat sich rechtzeitig vor seinem hiterlassenen Chaos ageseilt. Was macht der jetzt eigentlich? Die Kosten fuer neu Zuege duerften kein Problem sein, schliesslich hat man in gleichbleibender Regelmaessigkeit die Preise erhoeht und nie etwas dafuer getan.

  • F
    flippah

    Man sollte bei der Gelegenheit, wenn man sowieso die ganzen Züge austauscht, auch einen Wechsel des Stromsystems machen, so dass man anschließend Züge von der Stange nutzen kann, und keine sonderlösung mehr braucht.

  • E
    EnzoAduro

    Dieses "Neuauschreiben" simuliert doch einen Markt den es gar nicht gibt. Wie soll sich den Berlin einen Betreiber leisten der einen neuen Fuhrpark und neue Wartungsanlagen kauft. Das ist doch irrwitzig. Und wie soll dann über die Übernahme des Materials verhandelt werden. Das ist doch ein Dipol.

    Nein, die Bahn muss das machen und zwar ordentlich!

  • P
    paranoid

    Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn. Wahrlich eine lexikonreife Beschreibung des Begriffs "Interessenkonflikt".

  • W
    Waage

    S-Bahnen die nach 15 bis 20 Jahren nahezu schrottreif sind?!?

     

    Was ist da kaputt und was kann angeblich nicht mehr repariert werden?

     

    Das müsste mir mal Jemand genauer erklären!