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Schriften zu ZeitschreiftenUnited Colors Of Trashkultur

■ „Bubizin/Mädizin“, das neueste (Sub-)Kulturmagazin aus Berlin

Was man sich von neu eingerichteten Kulturzeitschriften nicht immer alles verspricht! Schönheit, Schrecken, Subversion der Verhältnisse! Polemik, Analyse, Jakobinismus! Lauter Ausrufezeichen, mit denen auch „Bubizin/Mädizin“, das neue Berliner Organ, gehörig liebäugelt. Schon im Klappentext wird der Anspruch auf das Erbe alter Tugenden des „Underground“ reklamiert: „Unterhalb der Ebene offizieller Kommunikation existiert ein Netzwerk für Eingeweihte... Sie haben den Kulturmüll zu ihrem Medium gemacht“ usw.

Der Wille ist denn auch erkennbar: Nachricht zu geben von nomadisierenden Einzelbewegungen, ein Statement daraus zu bündeln, um es herauszuschleudern aus dem kleinen Berlin-Dorf in die Welt hinaus. Nicht zufällig orientiert sich das Layout mit seinen vielen Comics und unterschiedlichen Schrifttypen an Brinkmann/Rygullas „ACID“, dem Urbild des subkulturellen Readers und Manifest einer neuen Sensibilität, wie sie Ende der Sechziger die verschlafene Bundesrepublik erreichte. Im Schlepptau: Drogen, Sex, Rock, Warhol, Burroughs, Bukowski. Gestus: Tja, Kulturrevolution, Leute.

Daß seither bald 30 Jahre ins Land gegangen sind, eine Zeit, in der die Subkultur gewiß nicht wenige Niederlagen hat hinnehmen müssen, hat erstaunlich wenige Spuren in Bubizin/Mädizin hinterlassen. An die 50 Autorinnen und Autoren sind vertreten, darunter auch echte Importphänomene wie einige neuere amerikanische Comic-Zeichner, der nicht mehr so besonders neue Sixties-Ästhetiker Wild Billy Childish, der stark überschätzte Pulp-Fiktionär Stewart Home sowie der Russe Viktor Pelevin, der eine an Pynchon und Sorokin geschulte Stalinismus-Satire beisteuert. Darüber hinaus kommt das innere Ausland der Provinz zu Wort. Leute wie das Freiburger Trash-Faktotum „Bdolf“ oder Theo Rick, der als Musiker LPs namens „Nena Menstruationsbrigade“ und „Fötenturbo Prolocaust“ eingespielt hat, versprechen, „den härtesten Humor seit Erfindung des Betons“ zu liefern. Berliner Witz eben – auch wenn er in letzterem Fall aus Eschweiler bei Aachen kommt.

Denn zweifellos ist (West-)Berlin das absolute Zentrum dieser United Colors of Trashkultur. Bubizin/Mädizin ist eine kleine Leistungsschau hiesigen Schaffens und als solche – Berlin ist klein – natürlich auch ein Wiedersehen mit Leuten, die einem aus unterschiedlichsten Kontexten bereits bekannt sind. Françoise Cactus, franko-berlinische Musikerin und von uns allen kultisch verehrter Layout- Star der taz (sie heißt hier komischerweise „François“ – hat das was mit Judith Butler zu tun?) überrascht mit einer Porno-Vignette, Funny van Dannen (live ist er besser) übersetzt den Humor von Titanic-Satiren ins Berlinische, und Max Müller, Sänger und Texter der Band Mutter, ist mit heroischen Tafelzeichnungen vertreten, die so rätselhaft bleiben wie das gesamte Werk dieser Combo selbst.

Es ist ja auch ein eigenartig Ding um diese speziell Berliner Subkultur-Approaches. Das Diskursive gedeiht hier nicht so. Die andernorts so vehement angestrebte Repolitisierung der hedonistischen Linken übergeht man gnädig. Eher wuchern diverse, oft stark enigmatische Privatmythologien, von denen man sich vorstellt, sie seien in irgend welchen traurigen 1-Zimmer-Butzen mit Außenklo ersonnen; und natürlich Splatter – die Schlingensieff-Connection. Ein Autor namens Hans-Martin Slayer verrennt sich bei seinen kulturkritischen Anmerkungen zum Thema Fernsehen ständig in die Vorstellung von „Inge Meysel mit einer fetzigen Schußwundenrosette auf der Stirn“. Wieder ein anderer namens „Qrt“ (wieso immer diese blöden Pseudonyme?) zeichnet ein Bild des harmlos-pittoresken Proll-Stadtteils Neukölln als Ort bürgerkriegsartiger Handlungen: „Das rote Flimmern der Neonreklamen an den pompösen Portalen der Bordelle und Spielhallen entlang der Karl-Marx-Straße irisierte auf der stahlverbrämten Spiegelreflexwindschutzscheibe des Panzers.“

Nie wird man den Verdacht los, diese kitschigen Hardboiled-Szenarien wären subkulturelle Hauptstadtphantasien, blade-runner-mäßig aufgemöbelte Träume von einem New- York-Berlin. Die größte Schwäche von Bubizin/Mädizin ist der mangelnde Mut zur kleinkarierten Wirklichkeit dieser Stadt. Und Gunther Blank verrät in einem der besten Beiträge auch, warum das wohl so ist. In seiner Genealogie des Serienkiller- Phänomens, die zugleich auch eine Ideologiekritik der allgemeinen subkulturellen Begeisterung für Helden wie Hannibal Lecter („Das Schweigen der Lämmer“) leistet, fällt ganz beiläufig der Satz: „Von Reagan und Kohl auf das Niveau des Fünfziger-Jahre-Eggheads zurückgestutzt, abgerichtet zur Strichjungenversion von Gramscis organischem Intellektuellen, haben sie in Lecter eine Figur gefunden, die ihrem verkümmerten, aus den Siebzigern nachhallenden Schrei nach Freiheit einen Verstärker bietet.“

Bei Bubizin/Mädizin kommt der Schrei eher aus den heldischen Sechzigern, aber ansonsten: Mehr davon. Dann hätte der sympathische Herausgeber Mario Mentrup ein besseres Material; und Verleger Erich Maas, der – das nur nebenbei – recht ansprechende Bücher macht, ja sogar der Alfred Hilsberg der literarischen Szene sein könnte, müßte nicht immerzu mit den tiefsten Augenringen südlich von Pankow rumlaufen. Bislang darf das nämlich im Berlin von heute leider nicht als besonders revolutionäre Leistung gelten. Thomas Groß

Mario Mentrup (Hrsg.): „Bubizin/Mädizin“. Maas Verlag, 200 Seiten, 23 DM.

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