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Trotz 50 Prozent Kaufpreisreduzierung rettet das Land die Schönleinstraße 19 nicht vor einem Investor. Der Bezirk kritisiert fehlende Unterstützung
Von Timm Kühn
Für die Mieter:innen der 18 Wohnungen in der Schönleinstraße 19 in Kreuzberg ist es das Ende eines jahrelangen Kampfes: Am vergangenen Freitag gab das Bezirksamt bekannt, dass die geplante Ziehung des bezirklichen Vorkaufsrechts für das Haus nun final gescheitert ist. Dem Verkauf des heruntergewirtschafteten Hauses steht jetzt nichts mehr entgegen. Neuer Eigentümer ist dem Vernehmen nach ein Investmentbanker, der sich auf Angebote für teures möbliertes Wohnen spezialisiert hat.
Zuvor waren Bemühungen des zuständigen Baustadtrats Florian Schmidt (Grüne) gescheitert, einer landeseigenen Immobiliengesellschaft den Kauf des Hauses schmackhaft zu machen. Der Bezirk hatte einen Gutachter beauftragt, der die Wertschätzung der Immobilie um 50 Prozent auf nur noch 700.000 Euro absenkte. Auch plus der wohl fälligen eine Million Euro für nötige Sanierungen sei das noch sehr günstig, sagte Stadtrat Schmidt der taz. Dennoch habe eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Wohnungsbaugesellschaft ergeben, dass ein Kauf nicht möglich sei. Zuvor waren bereits Bemühungen gescheitert, das Haus durch eine Genossenschaft erwerben zu lassen.
In den vergangenen Monaten hatte das Bezirksamt in mehreren Fällen versucht, über eine Neuermittlung des Verkehrswerts das bezirkliche Vorkaufsrecht zumindest ein Stück weit wiederzubeleben. Dieses war in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 erheblich eingeschränkt worden. Seither kann ein Bezirk den Verkauf eines Wohnhauses an einen Investor nur noch in Ausnahmefällen abwenden – etwa wenn das zu verkaufende Gebäude stark sanierungsbedürftig ist.
Genau dies ist aber nicht nur in der „Schöni19“ der Fall, sondern auch etwa in der Warschauer Straße 25. Das Haus ist seit Jahren ein beliebtes Fotomotiv für Tourist:innen, weil dessen marode Balkone mit Balken abgestützt werden. Hier hätte eine Verringerung des Kaufpreises von rund 30 Prozent durchgesetzt werden können. Doch im Herbst scheiterte auch hier eine Übernahme durch ein landeseigenes Unternehmen an der mangelnden Finanzierungsbereitschaft des Senats.
Für die Mieter:innen der Schönleinstraße 19 ist es bereits das zweite Mal, dass der Versuch, das Vorkaufsrecht zu ziehen, scheitert. Bereits vor einem Jahr hatte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) Unterstützung für einen Vorkauf abgelehnt. Damals ließ dieser bekunden, er sei nicht bereit, „vernachlässigte Schrottimmobilien zu kaufen, um diese teuer von öffentlichen Mitteln sanieren zu lassen“.
Dass der Senat auch bei der Hälfte des damaligen Preises einen Ankauf nicht unterstützen will, enttäuscht Stadtrat Schmidt. „Wir haben versucht, über die Absenkung des Verkehrswertes neue Wege zu gehen“, sagte er der taz. Der Senat habe eine Chance verpasst, Mieter:innen zu einem fairen Preis Schutz zu gewährleisten. Die Rechnung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft habe er nicht nachvollziehen können. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung konnte eine Anfrage der taz bis Redaktionsschluss nicht beantworten.
Immerhin einen Teilerfolg hatte Schmidt kürzlich in der Gneisenaustraße 9 erringen können. Hier war es dem Bezirk gelungen, eine Abwendungsvereinbarung zu erwirken, mit der ein neuer Eigentümer einen Vorkauf verhindern kann – allerdings nur gegen Zusicherung einer sozialverträglichen Vermietungspraxis. Den Mieter:innen der Schönleinstraße 19 bleibt sogar das nun wohl verwehrt. Er gehe davon aus, dass im Haus nun der Verwertungsdruck zunehme, sagte Stadtrat Schmidt zur taz.
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