■ Schöner leben: Der Kaltstart
Es geht bergab, und wir gehen mit. Verloren ist schon, wer ein einziges Mal seine Finger auf On-Tasten legte.
Erst fällt es nicht auf. (Doch es kommt schlimmer.) Du fährst den Wandrahm hinunter. Du passierst dösig einen Fußgängerpulk, und nach zehn Sekunden denkst du, war da nicht Elisabeth Motschmann? Du drückst den Rewind-Knopf, um dir das nochmal genauer anzusehen. Dann merkst du, daß, wohin du blickst, kein Rewind-Knopf zu sehen ist.
Du guckst etwas dumm. Na ja. Meinetwegen. Zufall, singuläres Ereignis. (Aber es kommt schlimmer.) An Tengelmanns Kasse. 19 Mark 20. Du gibst 50 hin und drückst Enter. Hier ist nichts zu drücken, doch du drückst und drückst. Das System aber antwortet nicht. Das System heißt Frau Plonsker, und die nimmt soeben erst mal Leergut an.
Nun, nun, keine Panik. Überreizt, strapaziert, das geht weg. (Doch es kommt noch viel schlimmer.) Im Broadway beim Bier. Die Bedienung: Was darf's sein? Ich: Ein Weizen. Sie: Mit Zitrone? Ich: Ohne. Sie: Hefe oder Kristall? Ich: Hefe. Und in mir schreibt einer eine Batch-Datei, die die ganzen Commands zusammenfaßt. „H“ Enter für Hefeweizen ohne.
Jetzt machst du dir Sorgen. Sprichst mit Freunden. Die nicken höflich, verständnislos. Nach dem Gespräch überkommt dich der mächtige Wunsch: „Alt Bearbeiten Rückgängig“. Enter.
Du wirst verrückt. Bei Karstadt um vier bedrohst du Leute, die im Weg stehn, mit einem Delete-Kommando. Du rennst schreiend durch die Damenoberbekleidung: „Press exit. Escape! Escape!“ Du landest bei Doktor der Nerven und der fragt voll tückischer Milde: „Denken Sie, daß ein Warmstart reicht? Oder machen wir gleich ein Reset?“ Burkhard Straßmann
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