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Schöner leben mit der Landesbank? -betr.: "Warentrennholz", taz vom 6.12.93

Betr. „Warentrennholz“, taz vom 6.12.

Lieber Burkhard Straßmann, mit Freuden habe ich Deinen kleinen Artikel „Schöner leben“ über die Dinge wie das „Warentrennholz“ gelesen, die wie Kafkas Odradek zwischen den benamsten Gegenständen hausen und eine leise Ahnung davon bewahren, daß nicht alles, was von Menschen gemacht ist, in der Menschenwelt aufgeht. Ich freute mich auch deshalb besonders, weil ich ja weiß, daß Du vor einigen Jahren an einem schönen Büchlein mitgearbeitet hast, das sich mit der Sozialgeschichte einer anderen Generation der „kleinen Dinge“ wie die Reißzwecke, den Radiergummi und die Spülbürste befaßte. Und das Schönste: es findet sich in Deinem Artikel kein Hinweis darauf, daß man dieses Büchlein zu Weihnachten verschenken könnte, et cetera pp – eine Bescheidenheit, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. (...)

Wie unangenehm berührt war ich dagegen von den beiden Veranstaltungen zur Eröffnung der Ausstellung des britischen „Landart“ – Künstlers Richard Long in der Weserburg und im Fotoforum am 28.11.93. Der Vorstand der Bremer Landesbank wurde ausführlich mit Namen vorgestellt und durfte auch im Fotoforum selbst sprechen, und er sprach, was Bankenvorstände so sprechen: eine Dreiviertelstunde wüsteste Reklame, in der es allein darum ging, dick und breit zu zeigen, wer eben seinen großen und kleinen Privatkunden den Standort versüßen und eine Geldanlage bieten will. Wenn die Kunst seit der Moderne nicht auf das Kunstwerk allein beschränkt ist, sondern auch und gerade die Umstände ihrer Rezeption mit einbezieht, dann kann ein solcher Rahmen nicht ohne Folge für den Gegenstand selbst sein. Die leise Ahnung, daß darunter die Intention der Kunst, die hier nur Anlaß war, auch vergehen kann, beunruhigte aber augenscheinlich nicht allzuviele im zahlreich erschienenen Publikum. Es scheint an das System des Industrie- und Bankenfeudalismus bereits gewöhnt. Allein etwas geahnt haben mag der Künstler selbst: Er liebt derartige Veranstaltungen nicht, hieß es sibyllinisch im ersten Vortrag; spätestens nach dem zweiten wissen wir, warum.

Lieber Burkhard, Du schließt Deine Anmerkungen mit der Aufforderung, doch einmal die Kassiererinnen im Supermarkt nach der Bezeichnung für den Plastikstab zu fragen, der auf dem Fließband die Waren der Kunden trennen soll – man sei tiefer linguistischer Freuden versichert. Hätte ich Deinen Artikel schon vor einer Woche gekannt, hätte ich dieses Verfahren auch bei den auf der Vernissage versammelten Kassierern praktizieren können: Was das denn hier sei, hätte man zum Beispiel fragen können. Auch hier hätte man die schönsten Antworten finden können – wenn ich einmal spekulieren darf – vermutlich hätte die Antwort gelautet: Kunst! Kunst! Kunst! Auch das gehört zur Wahrnehmung der kleinen Dinge, daß diejenigen Gegenstände, die bereits einen Namen tragen, nicht unbedingt richtig benannt werden müssen.

Wolfgang Bock

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