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Schöner hassen zur Weihnacht

Wie man die Unbilden eines Familienfests leicht in ein freudiges Ereignis umbiegen kann

Mit dem Bekenntnis, es gebe keinen Weihnachtsmann, hat ein britischer Pastor bei einem Gottesdienst 220 Schülern das Weihnachtsfest verdorben. Die sechs bis acht Jahre alten Kinder liefen weinend nach Hause. (dpa)Die Weihnacht steht vor der Stalltür. Zeit also, sich als recht unnützes Glied des Gemeinwesens zu etablieren. Wer heut zu Tage immer noch behauptet, Weihnachten sei ein Fest der Liebe, der ist entweder in Behandlung, oder sein Wahrnehmungsappparat genügt nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Wahr aber ist: Zu keinem Zeitpunkt des Jahres lässt sich schöner hassen.

Wirklich unterhaltsamen Drall bekommen die Feiertagsvorbereitungen durch die in der Fußgängerzone zwangsangesiedelten Quartalssäufer, die wie immer die umherirrenden menschlichen Frohsinnsautomaten mit zotigen Statements vom Konsum abzuhalten versuchen. Da wird auch nicht mit praktischen Tipps gespart, womit man seine Lieben zum Fest am besten auf die Palme bringen könne. Da bieten sie sich gegen ein geringes Entgelt für den Feiertagsbrunch als Leihväter an, preisen die Ausgetrunkenheit volkstümlicher Alkoholika und raten den vorüber hastenden Kleinfamilien zur Gründung von Swingerclubs. Da werden christliche Fundamentalisten vorsätzlich in ihren religiösen Empfindungen verletzt und auch standsichere Einschätzungen der bundesrepublikanischen Gemütslage abgegeben: „Schlimm, das mit den Rindern. Aber das schaffen die!“ Oder so ähnlich.

Trotzdem möchte man sich bänglich krümmen vor den Torturen inklusive Vollverpflegung, mit denen uns das puckelige Familienkonsortium zwischen dem 24. und 26. Dezember an seinem Dauerkoma teilhaben lassen wird: unnützer Tand, Weihnachtsmusike auf Heimorgel, Faulhuhn aus dem Geflügelgulag, Schaumwein, hosentaschenwarmes Bier, Fernsehprogramm, Simultanbeten. Hier ist handwerklich blitzsauber ausgeführte Prävention gefragt. Wir, zum Beispiel, haben unser Tochterkind beiläufig ermuntert, seinen aktiven Wortschatz an hochwertigen Fäkaltermini zu erweitern. Und werden uns an den stümperhaften Versuchen der familiären Kommunikationspartner weiden können, die „Christlich abendländische Kultur e. V.“ (A. Schmidt) gegen uns zu verteidigen. Das ist schon fast Entschädigung genug.

Voriges Jahr hatten wir die Unsrigen zum Tofu-Wettessen geladen. Auch ein Heidenspaß. Für uns. Auch wenn wir so was sonst nicht essen würden. Aber für den guten Zweck . . . Heuer säten wir zusätzlich Schrecken, Wehklage und hohe Not, als wir angekündigt hatten, den unweigerlich anstehenden Geschenkekram inklusive Süß- und Naschwerk dem hiesigen Asylbewerberheim zu stiften. Da ist schnell Schluss mit christlich-lustig. Genussvoll lassen sich so die Verhältnisse im Familienclan zuspitzen und die gemäßigte und extremistische Fraktion gegeneinander aufhetzen. Das können Sie ruhig mal probieren.

Und alles nur anlässlich der Geburt eines Balges, den man vor circa 2.000 Jahren auf Veranlassung seines Vaters hochgepäppelt hatte, um ihn anschließend zu schlachten und bis auf den heutigen Tag, wenn auch nur symbolisch, zu verspachteln. Gott also ein Kinderzüchter? Die Christen ein Rudel virulenter Täterschützer? Na, dann guten Appetit. MICHAEL RUDOLF

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