piwik no script img

■ SchnittplatzDie Medienblase

In München leuchtet's. Am Ende der Straße im Vorort Unterföhring, die bis Montag abend Bahnhofstraße hieß, hat man ein überdimensioniertes „M“ aufgebaut, das von Flakscheinwerfern umspielt wird. Das ist die patentierte „Dienstleistungsmarke der Medientage“, wie die Veranstalter wichtigtuerisch infomieren.

Dem Spartensender RTL 2 ist die Einsicht zu verdanken, daß Medientage so etwas Ähnliches wie Menstruationsbeschwerden sind: „Heute nicht, Liebling, ich hab' meine Medientage“, plakatieren sie. Zu einem Medienstandort gehört, daß man sich einmal im Jahr selbst feiert, alle zusammen und gnadenlos. Die Medienblase schwimmt auf, tritt frisiert, geschminkt und wichtig an. Das ist nötig, weil sich bei solchen Events eine eigene Welt konstruiert, wo rundum zählt, wer sonst begrenzt zählt, wo Relevanz schon dadurch entsteht, daß sie behauptet wird. So hätten Fernsehleute das Medium gern. Sie sind nicht anders als ihr Fußvolk: Sie gieren nach Einladungen zu den Abendempfängen und stehen dort um läppische Werbegeschenke an.

Der Kongreß Medientage ist eine Fiktion: Referenten, die auf jedem Podium sitzen, verkünden vor Publikum, das vor jedem Podium sitzt, was sie immer verkünden. RTL-Chef Helmut Thoma wiederholt all seine abgestandenen Gags. Als Hubert Burda, Henri Nannen fleddernd, verkündet, ein guter Journalist sei ein Blattmacher, klingt es wie „Plattmacher“.

Und dann löst sich bei dem abendlichen „come together“ in der Unterföhringer Fernsehstadt für einen Moment die ganze Virtualität auf: Leo Kirchs Digitalfernsehchef Gottfried Zmeck hält eine bemüht-launige Rede. Es soll eine Vision der Medientage 2006 sein, Helmut Thoma ist alt, und Kirchs Konkurrenten, die Bertelsmann- Manager Middelhoff und Dornemann, kriechen ihm zu Füßen. Zmeck haspelt, seine Hände zittern. Er steht unter Druck, der Mann, der lange als Kirchs Kronprinz gehandelt wurde. Kirch selbst, der am Montag 70 wird und seine Nachfolge noch nicht geregelt hat, steht im Publikum. Was wird 2006 sein? Vielleicht wird die Unterföhringer „Medienallee“ wieder Bahnhofstraße heißen. lm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen