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■ Schnittplatz„Zeit“ goes Multikulti

So farbig-flott hat man das blasierte Zeit-Magazin selten erlebt. Der letzten Ausgabe der schwergewichtigen Wochenzeitung liegt „ein Magazin von und über Türken in Deutschland“ bei, das Cover gestaltet wie eine türkische Pop-Zeitschrift, mit verträumtem Fotomodell und ü-lastigen Überschriften. Hat die Zeit etwa neue Zielgruppen im Visier? Oder handelt es sich um eine Aktion der türkischen Kommunikationsguerilla? Nein. Es ist lediglich der Versuch, bei der Zeit-Leserschaft humorige Aufklärungsarbeit zu leisten angesichts „2,2 Millionen Nachbarn, über die wir fast nichts wissen“. So reiht sich eine Auflistung „typisch“ türkischer Alltagsgegenstände an einen Minisprachkurs mit bemüht witzigem Glossar und eine alarmismusfreie Reportage aus dem Berliner Wrangelkiez, wo „es die multikulturelle Gesellschaft längst gibt“, wie das Editorial leicht erstaunt feststellt.

Am besten ist das Heft dort, wo sich die vielzitierten Türken in eigenen Worten präsentieren. Der unvermeidliche Feridun Zaimoglu etwa, oder die Modedesignerin Ayzit Bostan, die sagt: „Ich finde es so banal, was viele Deutsche von Ausländern zu kennen glauben.“

Das gilt auch für Zeit-Redakteure. Ergreifen sie das Wort, schimmert oft ein peinlich gönnerhafter Ton durch. „Auch in guten türkischen Restaurants gibt es blendend weiße Tischdecken und Stoffservietten“, weiß etwa Küchenkolumnist Wolfram Siebeck zu berichten. Und das Interview mit Cem Özdemir beginnt mit der Frage: „Warum sind eigentlich nicht alle deutschen Türken so beliebt und so elegant gekleidet wie Sie?“ – ganz, als seien ausgerechnet Deutsche in aller Welt für sympathisches Auftreten und Eleganz berühmt. Sagt Bundestürke Özdemir nun etwa: „Was ist denn das für eine bescheuerte Frage?“ Nein, er bedankt sich artig „für das Kompliment“! Dabei ist doch das getürkte Zeit-Magazin der beste Beweis dafür, wie belebend ein bißchen Türken-Schick wirken kann.

Ob die Goodwillaktion die Zeit- Leser beeindruckt, bleibt fragwürdig, liest man die Zuschriften, die sich die Zeitung mit ihrem Titel zur doppelten Staatsbürgerschaft einfing: Da verstehen die bürgerlichen Kulturblockwarte keinen Spaß. Daniel Bax

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