■ Schnittplatz: Enthüllendes Klassenbewußtsein
Gerüchte sind doch etwas Wunderbares. Vor allem, wenn Bild und B.Z. auf der Titelseite spekulieren und man es selber auch nicht besser weiß. Diesmal hat's Joschka Fischer erwischt – und die „23 Jahre jüngere“ (B.Z.) Nicola. Die Journalistenschülerin an der Hamburger Henri- Nannen-Schule und er sollen sogar schon zusammen joggen gehen – alles weitere wird der Phantasie überlassen. Klar, sagen die Überzeugten, der Fischer hatte schon immer ein Faible für junge Frauen, und was der Gerhard kann, ist auch für Joschka kein Problem. Doch derlei saftiges Geflüster soll uns auch gar nicht weiter interessieren. Schließlich stand die Sache mit Joschka und Nicola schon im Stern – wenn auch nur mit einem mickrigen Schwarzweißfoto.
Doch wer, so fragt man sich, hat dem Gruner + Jahr-Blatt das Foto zugesteckt? Denn ein offizielles Foto von den beiden gibt es (noch) nicht. Und im Stern wurde der Fotograf nicht benannt. „Es gibt Gründe, warum man so etwas ab und zu wegläßt. In diesem Fall ist das so“, heißt es in der Fotoredaktion des Magazins, das einer der ganz großen deutschen Journalisten vor 50 Jahren gründete: Henri Nannen.
Henri Nannen? Nach ihm wurde doch auch jene Hamburger Journalisten-Eliteschule benannt. Und war nicht das kleine Schwarzweißbildchen ursprünglich schon einmal in einer jener internen Zeitungen abgedruckt, wie sie die Henri-Nannen-Schüler zu Übungszwecken anfertigen? Zufall oder nicht: Die großen deutschen Journalisten von morgen verdingen sich im Rahmen ihrer Ausbildung derzeit als Praktikanten in den großen deutschen Redaktionen des Landes, allein sieben von ihnen beim Stern. Sollten etwa unvorsichtige Schulkameraden von Nicola das Übungsblatt samt Foto aus Versehen in den Redaktionsräumen des Stern herumliegen lassen haben? Oder war es doch Absicht? Im Fach „Enthüllungsjournalismus“ gäbe es dafür immerhin eine Eins. Mittlerweile gibt‘s das Foto bei der Bildagentur Pandis. Herzlichen Glückwunsch! Tina Hüttl, Christoph Schultheis
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