Schnellzug aus Moskau entgleist: Terror-Ermittlungen nach Zugunfall
Bei der Entgleisung eines Schnellzugs in Russland kamen mindestens 26 Menschen ums Leben. Die Staatsanwaltschaft eröffnete Ermittlungen wegen des Verdachts auf einen Terroranschlag.
MOSKAU taz | „Ich hörte einen schweren Schlag und wurde unter den Sitz geschleudert. Später zogen mich Leute raus und legten mich im Freien ab“, sagte dem Nachrichtensender Vesti ein Verletzter, der von Sanitätern notversorgt wurde. Das Zugunglück auf der Strecke von Moskau nach St. Petersburg hatte sich am Freitagabend gegen 21 Uhr 35 ereignet. Noch am Samstag wurden Opfer geborgen.
Der Schnellzug „Newski Express“ war mit 200 Kilometern pro Stunde nach einer Explosion in der Nähe von Bologoje rund 250 Kilometer vor St. Petersburg entgleist. Die Detonation riss drei Waggons von den Schienen, ein weiterer Wagen kippte eine Böschung hinunter. Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurden auf dem Gleiskörper Reste einer Bombe mit einer Sprengkraft von mindestens sieben Kilogramm TNT sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen von einem Terroranschlag aus. Am
Samstagabend gab das Innenministerium die Fahndung nach einem etwa 40-jährigen rothaarigen Mann heraus. Der oder die Täter sollen am Unglücksort mehrere Spuren hinterlassen haben. Als Ermittler am Samstagnachmittag das Gelände untersuchten, detonierte noch ein zweiter Sprengsatz, der aber keinen Schaden anrichtete.
Derweil ist immer noch nicht geklärt, wie viele Personen bei dem Unglück starben und wie hoch die Zahl der Verletzten ist. Nach offiziellen Darstellungen des Katastrophen-Ministeriums kamen 26 Personen ums Leben, und 96 wurden zum Teil schwer verletzt. Interfax meldet unterdessen 39 Tote und mehr als 100 Verletzte. Die Agentur beruft sich auf Aussagen des Einsatzleiters des Rettungsdienstes vor Ort, wonach 14 Leichen noch in und unter dem umgestürzten Waggon entdeckt wurden. Auch gelten 18 Passagiere des Luxuszuges noch als vermisst. Die Behörden vermuten, sie könnten den Unfallort auf eigene Faust verlassen haben. Die meisten Opfer soll ein stürzender Betonpfeiler verursacht haben, der durch das Dach eines Waggons schlug und alle Sitzreihen aus den Verankerungen riss. Unter den Todesopfern sind auch der Chef des russischen Straßenwesens und frühere Gouverneur St. Petersburgs, Sergej Tarassow, und der Leiter des Staatsbetriebs Rosreserv.
Nach Aussagen des staatsanwaltlichen Ermittlungsleiters Wladimir Markins klafft am Unglücksort ein Bombentrichter von anderthalb Metern Durchmesser und 70 Zentimetern Tiefe. Staatliche Fernsehanstalten zeigten am Samstag jedoch nur Aufnahmen eines gerissenen Schienenstrangs. Wenige Stunden nach dem Unglück hatte sich eine rechtsextreme Gruppe zu dem Anschlag bekannt. Die Skinhead Organisation Combat 18 (Ingermanlandija) ist den Behörden bisher nicht als Terrororganisation aufgefallen. Der FSB vermutete zunächst, dass es sich nur um einen Wichtigtuer handle. Letzte Woche übernahm dieselbe Gruppe Verantwortung für einen Brandanschlag auf die U-Bahn in Sankt-Petersburg.
Bereits 2007 war auf den komfortablen Schnellzug, den vornehmlich Geschäftsleute, Politiker und Touristen nutzen, ein Anschlag verübt worden. Damals soll ein zum Islam übergetretener russischer Armeeangehöriger im Auftrag tschetschenischer Islamisten die Tat begangen haben. Der Chef der russischen Eisenbahnen Wladimir Jakunin wies auf Parallelen hin: „Der Anschlag verlief nach einem Schema, das sehr deutlich an das damalige Ereignis erinnert“, sagte er.
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