Schnellverfahren gegen Klimaaktivisten: Schnell gescheitert

Das Amtsgericht Tiergarten schafft Spezialabteilungen für Schnellverfahren gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen ab. Die Beweislage sei zu selten eindeutig.

letzte generation auf Autobahn

Die letzte Generation kann wieder kräftig kleben Foto: dpa/Paul Zinken

BERLIN taz | Kli­ma­k­le­be­r*in­nen können wieder sorgloser kleben. Der Grund dafür: Die eigens für Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen geschaffenen Gerichtsabteilungen für Schnellverfahren wurden zum Jahreswechsel wieder aufgelöst. Bei der Überprüfung des Geschäftsverteilungsplans sei aufgefallen, dass diese ineffektiv seien, so eine Sprecherin des Gerichts zur taz.

Im Sommer 2023 waren die Spezialabteilungen am Amtsgericht Tiergarten auf Beschluss der Staatsanwaltschaft eingerichtet worden, um Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen schneller vor Gericht bringen zu können. Beschleunigte Verfahren sind unüblich, aber laut Strafprozessordnung möglich, „wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist“. Die Beweislage sei bei Kli­ma­k­le­be­r*in­nen jedoch nur selten ganz klar, sagt die Sprecherin des Gerichts.

Von den 197 Anträgen auf ein beschleunigtes Verfahren, die die Staatsanwaltschaft beim Gericht stellte, gingen nur 11 durch. 137 sind noch offen, 48 wurden abgelehnt. Wie die Gerichtssprecherin sagte, seien bei den Fällen umfangreiche Ermittlungen, etwa hinsichtlich der Dauer und Intensität des Anklebens, der Länge des erzeugten Staus oder der Ausweichmöglichkeiten erforderlich gewesen.

Vergehen, die für Schnellverfahren als ungeeignet eingestuft wurden, wurden anschließend zu regulären Verfahren in andere Gerichtsabteilungen überführt. Das sei ineffizient gewesen, weshalb die Spezialabteilungen nun aufgelöst würden, erklärt die Sprecherin. Die Anträge auf Schnellverfahren werden jedoch weiterhin gestellt. Die Zuständigkeit der Rechtsprechung, die sich durch die Spezialabteilungen auf zwei Rich­te­r*in­nen verengt hatte, wird jedoch nun auf 67 Abteilungen des Amtsgerichts verteilt. Dadurch sollen die Strafverfahren effektiver gestaltet werden.

Die Staatsanwaltschaft hält trotz des Scheiterns an ihrer Position fest: Es sei eindeutig, dass das Ankleben ein einfacher Sachverhalt und damit ein „Großteil der Fälle“ für ein Schnellverfahren geeignet sei, so Sprecher Sebastian Büchner. Zudem sei nicht ersichtlich, warum manche Fälle für beschleunigte Verfahren als geeignet eingestuft würden, andere jedoch nicht.

Kri­ti­ke­r*in­nen sehen das anders. Bei den Klimaprotesten handele es sich um „komplexe Sachverhalte und eine schwierige Beweislage“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Petra Vandrey. Der Republikanische Anwältinnenverein hatte die Schaffung der Sonderabteilung für Schnellverfahren als „Politisierung von Strafverfahren“ kritisiert, die vermieden werden müsse.

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