: Schneller rechts abbiegen
Für rasantes Autofahren tut Innensenator Schill alles. Obwohl die Zahl der Verkehrstoten in Hamburg voriges Jahr deutlich anstieg ■ Von Sven-Michael Veit
Nichts in dieser Stadt ist so gefährlich wie Autofahren: 58.876 Unfälle weist die amtliche Statistik 2001 aus, die Innensenator Ronald Schill gestern vorstellte, lediglich 154 weniger als im Jahr davor. Und in mehr als 90 Prozent der Fälle waren Auto- und Motorradfahrer die Hauptschuldigen: Rasen, ungenügender Sicherheitsabstand, Miss-achtung der Vorfahrt und Fehler beim Abbiegen sind die Ursachen für vier von fünf Unfällen, bei jedem 20. Unfall ist Trunkenheit ursächlich gewesen.
Mit 56 Getöteten weist der Verkehrsunfallbericht zudem 15 Tote mehr aus als noch im Jahr 2000: 29 AutofahrerInnen, 21 FußgängerInnen (darunter drei Kleinkinder, erstmals seit 1996) und sechs RadfahrerInnen. Die Konsequenzen, die Schill daraus zieht: die „Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer stärken und den Verkehr flüssiger machen“. Denn „von mir aus“, so bekennt der Senator freimütig, „kann überall gerast werden, wenn es theoretisch nicht so gefährlich wäre“.
Bis zum Sommer, so kündigt Schill an, würde deshalb „die Neuorientierung in der Verkehrspolitik“, für die der neue Senat steht, abgeschlossen sein. Und dann gehe es an die Umsetzung der Hauptpunkte: Tempo 60 auf so vielen Hauptverkehrsstraßen wie möglich, mehr Repression gegen Zweite-Reihe-Parker und die Konzentration von Verkehrsüberwachung an Unfallschwerpunkten. Im Rest der Stadt würden „nur noch ab und zu Geschwindigkeitskontrollen und andere mobile Verkehrsüberwachungen“ durchgeführt.
In einer „großen Aktion gemeinsam mit dem ADAC“ würde demnächst mit dem „Abbau überflüssiger Verkehrsschilder“ begonnen. Diese „Auslichtung des Schilderwaldes früherer Senate“ sei notwendig, findet Schill, weil im Straßenverkehr „mittlerweile vielfach der Überblick verloren geht“.
So schafft er denn auch Platz für ein neues Schild: Vom „Grünen Pfeil“ ist der Senator ganz begeis-tert. Bislang 204 Lizenzen zum Rechtsabbiegen an roten Ampeln wurden erteilt, ohne dass dies „zu Sicherheitsproblemen geführt“ habe. Deshalb würden noch weitere Kreuzungen mit dem Schild versehen werden, damit Hamburg zur Grünpfeil-Spitze werde. Bislang steht die Hansestadt auf diesem Gebiet nur an zweiter Stelle unter den deutschen Großstädten.
„Nebensächlichkeiten“, kommentiert denn auch prompt Barbara Duden. Die SPD-Verkehrspolitikerin weist darauf hin, dass 23 der 56 Verkehrstoten Opfer überhöhter Geschwindigkeit wurden. Wer da weitgehend auf Tempokontrollen verzichten wolle, der lasse „im rechtsfreien Raum rasen“.
Und das werde, befürchtet Krista Sager (GAL), „noch zu einer Verschärfung der Situation beitragen“. Angesichts der gestiegenen Zahl der Toten sei Schills Temporausch „konzeptionslos und falsch“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen