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Schneechaos in ChinaDie weiße Gefahr

Seit Tagen schneit es in der Volksrepublik. Erste Tote sind zu beklagen. Das Transportsystem kommt zum Erliegen. Millionen Chinesen können über Neujahr nicht in ihre Heimatorte fahren.

Soldaten sperren den Hauptbahnhof von Shanghai ab, während Tausende von Wanderarbeitern draußen auf verspätete Züge warten. Bild: ap

PEKING taz Die größte Schneekatastrophe seit Jahrzehnten hält China im Griff. Zehntausende Chinesen stecken in Zügen, Autos und Bussen fest, auf Bahnhöfen und Flughäfen drängen sich die wartenden Passagiere. Viele harren dort seit Tagen aus.

Selbst Premierminister Wen Jiabao konnte die zentralchinesische Stadt Changsha nur mit Mühe erreichen, wo er sich ein Bild von den Hilfsmaßnahmen der Behörden machen wollte. Weil der Flughafen geschlossen worden war, musste er in der Nachbarprovinz Hubei landen und anschließend mit dem Zug weiterreisen.

Meteorologen sagen für mindestens weitere fünf Tage Schneefälle in Ost- und Zentralchina voraus. "Solche langen und intensiven Schneestürme sind ein Ergebnis des Klimawandels, der sehr häufig extreme Wetterlagen verursacht", sagte der führende Pekinger Meteorologe Sun Jun der KP-Zeitung China Daily.

Mittlerweile gibt es bereits die ersten Todesopfer. Am Dienstag geriet in der Südwestprovinz Guizhou ein Bus auf vereister Fahrbahn ins Schleudern und stürzte vierzig Meter tief in eine Schlucht: 25 Passagiere kamen ums Leben, 13 andere überlebten das Unglück. Insgesamt sind in dem Unwetter bislang mindestens drei Dutzend Menschen gestorben.

Weil Lastwagen und Güterzüge mit Kohle, Diesel und Nahrung nicht vorankommen, sind mittlerweile in einigen Regionen die Preise für Reis, Gemüse und Speiseöl stark gestiegen. Mehrere Kohlekraftwerke und Fabriken stehen bereits still, der Strom fällt in vielen Orten aus. Die Regierung hat die Energieversorgung zur "höchsten Priorität" erklärt.

Viele Orte haben seit Jahrzehnten keinen Schneefall erlebt und sind völlig unvorbereitet. So platzten in der Jangtse-Stadt Wuhan 2.000 Kilometer maroder Wasserrohre. In einigen Teilen der Metropole ist das Trinkwasser knapp, die Bewohner tauen Schnee und Eis, um sich zu versorgen.

Die Schneefälle und der Kälteeinbruch kommen zu einer denkbar ungünstigen Zeit: Seit letzter Woche verlassen Millionen Chinesen Fabriken, Baustellen und Restaurants, um zum chinesischen Neujahrsfest nach Hause zu fahren. Für viele ist es die einzige Möglichkeit, ihre Familien zu sehen und den Jahreslohn nach Hause zu bringen. Die meisten reisen schwer bepackt und nehmen dafür tagelange Strapazen auf harten Bahnsitzen und in engen Bussen in Kauf. Im vergangenen Jahr wurden in den Wochen um das Neujahrsfest 155 Millionen Zugtickets verkauft.

Die Chancen, rechtzeitig nach Hause zu kommen, schwinden allerdings. Städte wie Schanghai und Hangzhou verkaufen bereits keine Fahrkarten mehr. Aus Angst vor Unruhen beschwören die Behörden in manchen Regionen Handybesitzer per SMS, alle Reisepläne aufzugeben, um das Chaos nicht zu vergrößern.

Trotzdem harren in der Stadt Guangzhou 200.000 Wanderarbeiter mit ihrem Gepäck aus, um doch noch einen Platz im nächsten Zug zu ergattern. Soldaten versuchen, die Menge unter Kontrolle zu halten. Wer bereits ein Ticket hat, versucht noch mitzukommen, etwa der Bauarbeiter Wang Chao. Er will in seine Heimatprovinz Anhui fahren: "Ich reise auf jeden Fall, ich habe das ganze Jahr darauf gewartet. Irgendwie komme ich schon hin."

Die Regierung hat tausende Soldaten und Eisenbahner aus allen Teilen des Landes mobilisiert, um Schienen und Straßen vom Schnee zu räumen.

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