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Schneechaos in ChinaPeking übt sich im Krisenmanagement

"Wie ein Mann" sollen die Chinesen in dieser Krise zusammenstehen, fordert der Premier von seinen Bürgern.

Kleine Kinder trösten ist noch das kleinste Problem im harten chinesischen Winter. Bild: rtr

PEKING taz Auch wenn der Schnee bald wieder schmelzen wird und die Züge wieder fahren werden - an den Folgen des ungewöhnlich harten Winterwetters wird China noch längere Zeit zu leiden haben. Bislang schätzen die Behörden die direkten wirtschaftlichen Schäden auf 2,3 Milliarden Euro. Nach zwei Wochen anhaltendem Schneefall sind zahlreiche Häuser, Strommasten und Felder zerstört.

Noch ist nicht klar, wie stark sich das Schneedrama auf das Wirtschaftswachstum - 2007 lag es bei 11,4 Prozent - auswirken wird. Etliche Fabriken haben bereits geschlossen, weil Rohstoffe nicht ankommen. Andere wiederum kriegen ihre Produkte nicht rechtzeitig zu den Kunden.

Das Schneechaos kommt zu einer Zeit, in der das Land die schlimmste Energiekrise der vergangenen Jahrzehnte erlebt - und in der das Gespenst einer galoppierenden Inflation den Politikern den Angstschweiß auf die Stirn treibt. So haben in den vergangenen Wochen bereits neunzig Kraftwerke geschlossen, weil der Kohlepreis in die Höhe geschossen ist und sie die gestiegenen Kosten nicht auf die Verbraucher umlegen dürfen.

In China stammen fast achtzig Prozent der Elektrizität aus der Kohle. Ein großer Teil wird per Bahn oder Lastwagen aus den Minen herantransportiert. Jetzt stecken die Transporter in Schneewehen fest, während Millionen Chinesen Heizlüfter und Radiatoren anwerfen, um die ungewohnte Kälte zu überstehen. Gleichzeitig haben Eis und Stürme Strommasten und Leitungen zerstört, die Strom von den Wasserkraftwerken, unter anderem vom Dreischluchtendamm, übers Land bringen.

Um die Versorgung im Land zu sichern, hat die Regierung alle Kohleexporte für die nächsten zwei Monate gestoppt. Außerdem dürfen einige Bergwerke wieder öffnen, die in den letzten Jahren als unsicher deklariert und geschlossen worden waren. China ist der größte Kohleproduzent der Welt, doch seine Exporte sind in den letzten Jahren stark gesunken, um die rasant wachsende Nachfrage zu Hause zu decken. Chinas Reeder wurden angewiesen, mehr Schiffe zum Transport der Kohle aus den Bergwerksregionen des Nordens in den Süden bereitzustellen.

Bedrohlich ist auch die Preissituation. Die Inflationsrate erreichte im letzten Jahr den höchsten Stand seit 1994. Die Preise für Obst, Gemüse und Fleisch haben sich zum Teil verdoppelt. Jüngst hat die Regierung aus Angst vor Unruhen einige Preise eingefroren. Dazu gehören die Kosten für Strom, Diesel und Heizöl. Doch diese Maßnahmen sind derzeit kaum noch durchsetzbar. Weil die Transporte nicht durchkommen, werden Reis und Gemüse in diesen Tagen teurer.

"Die angespannte Situation bei der Kohle, bei Stromversorgung, Öl und im Transportwesen" drohe sich weiter zu verschlimmern, warnte gestern Premierminister Wen Jiabao. Er rief die Bevölkerung auf, "wie ein Mann" die Katastrophe zu bekämpfen. Alle Behörden müssten nun dafür sorgen, dass die Kraftwerke mit Kohle versorgt werden. In Peking bezeichnete das Politbüro, das höchste Gremium der KP, die Katastrophenhilfe am Dienstag als "dringlichste Aufgabe".

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