: Schmutzige Kohle für den Norden
MENSCHENRECHTE Die Kohle für die geplanten Kraftwerke im Norden kommt zum Großteil aus Übersee. Kolumbianische Gewerkschafter weisen auf Menschenrechtsverletzungen beim Abbau in ihrer Heimat hin
18,3 Prozent des in Deutschland generierten Stroms entfielen 2009 auf die Steinkohle.
■ Aus nationaler Förderung kommt nur noch ein Drittel der verheizten Kohle – zum stolzen Preis von 170 Euro je Tonne.
■ Der Bedarf steigt von Jahr zu Jahr, denn mindestens 24 neue Kohlekraftwerke sind in Deutschland geplant und 2018 werden die Subventionen für die deutsche Kohle auslaufen.
■ Kolumbien wird in diesem Jahr voraussichtlich sieben bis acht Millionen Tonnen Steinkohle liefern und ist damit nach Russland der zweitwichtigste Lieferant für Deutschland. KHE
Wenn in Hamburg-Moorburg, Brunsbüttel und Stade in den kommenden Jahren große neue Kohlekraftwerke in Betrieb gehen, werden sie überwiegend mit Steinkohle aus Übersee befeuert werden müssen. Einer der größten Lieferanten ist Kolumbien, wo beim Kohleabbau Menschenrechte verletzt werden.
Deshalb sind Alfredo Tovar Pérez und Nilson Ramírez in diesen Tagen in Kiel, Brunsbüttel, Stade und Hamburg unterwegs. „Wir wollen auf die Bedingungen aufmerksam machen unter denen in Kolumbien Kohle abgebaut wird, die dann für gerade 73 Euro pro Tonne nach Deutschland verkauft wird“, sagt Tovar, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Sintramienergetica und in der größten Kohlemine Lateinamerikas El Cerrejón beschäftigt.
Über dreißig Millionen Tonnen Kohle wurden in der Mine, die auf der Halbinsel Guajira im Nordosten Kolumbiens liegt, 2008 gefördert. Die Kapazität soll auf sechzig Millionen Tonnen erweitert werden, wofür weitere Dörfer in der Umgebung der 69.000 Hektar umfassenden Abbaustätte weichen sollen. „Doch für deren Umsiedlung und eine faire Behandlung hat das Konsortium anscheinend kein Geld übrig“, kritisiert Sebastian Rötters von der Menschenrechtsorganisation Fian. Die ist seit mehreren Jahren mit den Bauern und der indigenen Gemeinde Tamaquitos in Kontakt. „Zwei Gemeindemitglieder, die die Praktiken des Konsortiums kritisiert hatten, sind seit 2006 verschwunden“, sagt Nilson Ramírez.
Auf diese in Deutschland weit gehend unbekannten Hintergründe des Kohleabbaus in Kolumbien wollen die beiden während ihrer Rundreise aufmerksam machen und mit den Gesprächen mit Abgeordneten, Bürgermeistern und Schülern versuchen sie Druck auf die deutschen Unternehmen auszuüben, die Steinkohle aus Kolumbien importieren.
Bisher hat nur Eon offen zugegeben, dass es derzeit große Mengen an Steinkohle aus Kolumbien und größtenteils aus El Cerrejón importiert. Vattenfall, das voraussichtlich 2012 das Großkraftwerk Moorburg in Betrieb nehmen will, habe zumindest in der Vergangenheit Kohle aus El Cerrejón bezogen, sagt Pressesprecher Steffen Herrmann. „Aus Wettbewerbsgründen können wir nicht veröffentlichen, aus welchen Abbaugebieten die Kohle für bestimmte Kraftwerke, also auch für Moorburg“ stammt beziehungsweise stammen wird, lautet die Antwort auf konkretere Fragen. Zwar versichert Vattenfall, dass man die Lieferanten verpflichtet, einen Verhaltenskodex einzuhalten, der internationalen Normen entspricht. Aber so etwas ist für den Abnehmer schwer zu kontrollieren.
Südweststrom, der Betreiber eines geplanten Kohlekraftwerks in Brunsbüttel, will deshalb „sehr genau analysieren“, woher er die zwei Millionen Tonnen Kohle beziehen wird, die ab 2016 jährlich verstromt werden sollen, so Sprecher Alexander Raithel. KNUT HENKEL
Veranstaltungen mit Alfredo Tovar Pérez und Nilson Ramírez: heute, 19.30 Uhr, Gemeindehaus der Markuskirche, Stade Mittwoch, 1. Dezember, 19 Uhr, Rudolf Steiner Haus, Mittelweg 11-12, Hamburg
Wirtschaft & Umwelt SEITE 9