Schlussplädoyer des Pistorius-Anwalts: Von seiner Biografie gezeichnet

Eine Verurteilung wegen Mordes kommt für den Verteidiger von Oscar Pistorius nicht infrage. Seine Argumentation zielt auf die Behinderung seines Mandanten.

Ziel vor Augen: Das Urteil wird am 11. September gefällt. Bild: dpa

PRETORIA afp | Das Urteil im Mordprozess gegen den südafrikanischen Sprintstar Oscar Pistorius fällt am 11. September. Dies kündigte Richterin Thokozile Masipa am Freitag in Pretoria nach dem Schlussplädoyer der Verteidigung an. Nachdem Staatsanwalt Gerrie Nel seinen Mordvorwurf bekräftigt hatte, argumentierte Verteidiger Barry Roux am Freitag, die „kalten Fakten“ lieferten dafür keinen Beleg.

Staatsanwalt Nel sei es nicht gelungen, eindeutige Beweise für seinen Vorwurf vorzulegen, sagte Roux in seinem Schlussplädoyer, in dem er nochmals detailliert auf die Vorwürfe einging. Es gebe genügend Zweifel an der Version der Anklage, so dass eine Verurteilung wegen Mordes nicht in Frage komme. Roux sagte ferner, dem Angeklagten hätte von Anfang an höchstens wegen Totschlags der Prozess gemacht werden dürfen.

Die Anklage wirft Pistorius vor, seine damalige Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht zum Valentinstag vor einem Jahr im Streit durch die geschlossene Badezimmertür seines Hauses erschossen zu haben. Der 27-Jährige beteuert hingegen, er habe das 29-jährige Model für einen Einbrecher gehalten.

Nel hatte den Angeklagten in seinem Schlussplädoyer am Donnerstag als Lügner dargestellt, dessen Aussagen immer wieder „eklatante Widersprüche“ aufgewiesen hätten. Zudem warf er Pistorius vor, er verfüge über Ängstlichkeit „auf Abruf“, um darauf seine Verteidigungsstrategie zu gründen.

Wie eine missbrauchte Frau

Verteidiger Roux widersprach dieser Darstellung am Freitag entschieden. Pistorius sei zutiefst verängstigt und von seiner Biografie gezeichnet – vergleichbar mit einer missbrauchten Frau, die eines Tages ihren Mann ermorde. „Diese ständige Erinnerung, ich habe keine Beine, ich kann nicht wegrennen, ich bin anders“, sagte Roux, sei tief in Pistorius' Denken verwurzelt. „Er kann nicht so tun, als sei alles in Ordnung.“ Dieser Effekt habe mit der Zeit „das Fass zum Überlaufen“ gebracht.

Roux bekräftigte in seinem Schlussplädoyer, Pistorius habe mit den Schüssen nicht töten wollen – er sei allenfalls der fahrlässigen Tötung schuldig. Nach den Worten seien Verteidigers ist Pistorius allerdings in einem von drei weiteren Anklagepunkten schuldig. Das seinem Mandanten zur Last gelegte Abfeuern einer Waffe in einem Restaurant in Johannesburg sei „fahrlässig“ gewesen, sagte Roux. Pistorius hatte zu Beginn des Prozesses in allen drei Punkten auf nicht schuldig plädiert.

Staatsanwalt Nel hatte in seinem Schlussplädoyer argumentiert, dass Pistorius in jedem Fall einen Mord begangen habe: Der Angeklagte habe gewusst, dass hinter der Tür ein Mensch sei und habe die tödlichen Schüsse abgegeben, ohne sich zu vergewissern, ob wirklich eine Gefahr bestand. Sollte das Gericht Pistorius des Mordes schuldig sprechen, drohen ihm bis zu 25 Jahre Haft. Bei Totschlag oder fahrlässiger Tötung wäre die Strafe deutlich niedriger.

Der Angeklagte folgte dem Schlussplädoyer seines Verteidigers in einem schwarzen Nadelstreifenanzug mit schwarzer Krawatte. Zeitweise verdeckte er sein Gesicht mit den Händen und wischte Tränen aus seinen Augen. Im Gericht waren wie am Vortag Pistorius' Vater Henke und Steenkamps Eltern Berry und June anwesend.

Es war der 41. Verhandlungstag in dem seit dem 3. März laufenden und teilweise live im Fernsehen übertragenen Prozess. In dieser Zeit waren fast 40 Zeugen angehört worden. Die Gerichtsakten füllen inzwischen tausende Seiten.

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