Pistorius-Prozess in Südafrika: Leichtfertige Todesschüsse
Nicht wegen Mordes, aber wegen fahrlässiger Tötung hat das Gericht den Sportler Oscar Pistorius verurteilt. Das Strafmaß steht noch aus.
JOHANNESBURG taz | Der südafrikanische Sportstar Oscar Pistorius ist wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen worden. Richterin Thokozile Masipa hatte ihr Urteil zwar am Donnerstag im Gericht schon angedeutet, und gleichzeitig für Entrüstung in der Öffentlichkeit und bei Rechtsexperten gesorgt: Der 27jährige Behindertensportler war von der Anklage wegen Mordes freigesprochen worden. Auch Totschlag für die Erschießung seiner Freundin Reeva Steenkamp 2013 hatte sie in der Verlesung ihrer Urteilsfindung am Vortag bereits ausgeschlossen.
Pistorius reagierte gefasst auf das Urteil, das ihm bis zu 15 Jahre Gefängnishaft einbringen kann. Eine Mindestrafe gibt es nicht, und obwohl jetzt nach 41 Verhandlungstagen und monatlagen Zeugenvernehmungen seit März vor laufenden Fernsehkameras im Gericht in Pretoria einer der spektakulärsten Prozesse in der südafrikanischen Geschichte zu Ende ging, wird Pistorius auf das Strafmaß seiner Tat warten müssen: Die Richterin hat es noch nicht festgelegt.
In der Zwischenzeit werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Argumente für eine besonders harte oder milde Bestrafung vortragen. Für die Staatsanwaltschaft ist Masipas Urteil eine Niederlage, denn die Anklage hatte ihre Verhandlungsstrategie darauf abgestellt, Pistorius vorsätzlichen Mord an dem blonden Model nach einem Streit in der Valentinsnacht 2013 in Pistorius Luxusanwesen in Pretoria nachzuweisen.
Der einstige Held der südafrikanischen Sportwelt hatte nie bestritten, mit seinen Schüssen seine Freundin getötet zu habenh. Er hatte aber stets beteuert, er habe einen Einbrecher hinter der verschlossenen Badezimmertür vermutet. Viele Rechtsexperten in Südafrika waren sich einig, dass die Staatsanwaltschaft zwar keinen wasserdichten Fall für ihre Anklage des geplanten Mordes vorliegen hatte, gingen aber von einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung aus.
Die Richterin beschuldigte Pistorius der Fahrlässigkeit im Umgang mit der Waffe, allerdings habe er nicht ahnen können, dass die Schüsse tatsächlich durch die geschlossene Tür tödlich sein könnten.
Für die Eltern des erschossenen Models Reeva Steenkamp ist dieser Schuldspruch für Pistorius ein harter Schlag, sie weinten hemmunglos im Gericht. Sollte die Staatsanwaltschaft in die Berufung gehen, kann das Verfahren erneut monatelang andauern. Pistorius bleibt bis auf weiteres auf freiem Fuß, nachdem er schon im Vorfeld des Prozesses eine Kaution entrichtet hatte.
Das Strafmaß soll am 13. Oktober verkündet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben