standbild: Schlüpferexperten unter sich
(„Die Klatschreporterin“
Di, 21.45 Uhr, N 3)
Eine Reportage, die mit viel Fleisch zu tun hat, aber Hirnmasse meidet, dreht sich nicht unbedingt um BSE. Es kann auch Bild sein – verkörpert durch Frau Doktor Katja Keßler und ihre Promis.
Ihre Verdienste um’s Busen-Business für den Boulevard sind zwar in den Medien bereits rauf und runter genudelt worden. Doch die Ex-Titten-Untertitlerin der Bild-Seite Eins ist zur Klatschkolumnistin der gleichen Zeitung aufgestiegen, zur meist gelesenen auch noch, und diese Karriere war N 3 eine halbe Stunde Sendezeit wert.
Nun wäre für die Geschichte der K. ein Quickie vollauf befriedigend gewesen. Denn wohin ihr die Autoren Tilo Knops und Christian Jentzsch auch folgten: Es gab nichts zu berichten. Ob eine Party in Beverly Hills oder die Grammy-Verleihung in Los Angeles – Keßler schreibt nur über das, was sie sieht und was jeder gesehen hätte: Welcher Star ist da? Wie tief ausgeschnitten ist das Kostüm? Keßler will „eine ganz leichte Ebene streifen“. Wie nicht anders zu erwarten, gelingt ihr das. Und deswegen dümpelt die Reportage über das Seichte selbst ein bisschen dahin. Ab und zu eine süffisante Bemerkung über den Stumpfsinn einer Klatschtante reicht nicht aus, wenn die – wie im Falle Keßlers – über genügend Normalität verfügt, sich vor laufender Kamera nicht selbst zu demontieren.
Eine uninteressante Frau, die über vermeintlich interessante Menschen berichtet – wenn das schon nicht trägt, dann vielleicht die Medienmacht des Boulevards? Fehlanzeige. Die „zwölf Millionen Leser“ wurden im Bericht mehrfach beschworen, aber das war es. Knops und Jentzsch dringen bis in die Bild-Redaktion vor – und fördern Binsenweisheiten zu Tage.
Spannend wurde es nur, als es ans Eingemachte ging: Frau Keßler, die ein Kind vom Bild-Chefredakteur Kai Diekmann erwartet, kennt den Kindsvater dann wohl doch einigermaßen gut. Aber bei dem Thema nahm sich die Schlüpferexpertin auf einmal selbst in Schamhaft – und der Autor des Films musste auf halber Wegstrecke ausgetauscht werden. Zumindest könnte man also den Reportern anrechnen, dass sie ihr hier nicht weiter auf den Zahn gefühlt haben. RONALD DIETRICH
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