Schlossbaupläne in Berlin: In der Berliner Mitte nichts als Tristesse
Am Freitag wird der Architekturwettbewerb über die Zukunft des Schlossplatzes entschieden. Bis zuletzt haben sich die barocken Schlossfans und ihre Gegner bekämpft. Aber auch beim Nutzungskonzept des Humboldt-Forums ist vieles im Unklaren. Darum kann der Wettbewerb nur schiefgehen
Es gibt in diesen trüben Novembertagen noch Unverdrossene, die sich die Reste des Palastes der Republik auf dem Schlossplatz angucken. Darunter sind zuweilen ältere Herrschaften, die lauthals ihrem Unmut über den Abriss Luft verschaffen und diesen als "politisch gewollte Schweinerei des Westens" brandmarken. Der Verlust schmerzt noch immer, wie das Beispiel dieses Bürgers der ehemaligen DDR zeigt, der sich kurz vor dem Abriss des letzten Treppenhausturms an der Ruine des Republikpalastes einfand.
Man muss nicht zu den Enterbten der kommunistischen Einheitspartei gehören, um angesichts der Stümpfe des Palastes derzeit Phantomschmerzen zu empfinden. Es fehlt dort ein Raum, ein Gebäude, ein Stück Berliner Geschichte. Denn genau das ist dort verschwunden, um nun einer riesigen zugigen Tristesse Platz zu machen.
SO WAR'S:
Es war DDR-Chef Walter Ulbricht, dem wir das alles zu verdanken haben: 1950 war auf Beschluss des Generalsekretärs der SED das Stadtschloss gesprengt worden. Das Symbol des preußischen Absolutismus, das Andreas Schlüter ab 1699 zum bedeutensten barocken Profanbau Deutschlands ausbaute, versank.
Zuvor hatten es die Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Teil zerstört. Der Platz wurde zur FDJ-Aufmarschfläche, 1976 entstand Palast der Republik. Nach dem Fall der Mauer wurde 1998 beschlossen, den Palast der Republik abzureißen.
Der Bundestag entschied 2002, das Stadtschloss zu rekonstruieren. Gegen den Widerstand der Architektenverbände, die auch moderne Entwürfe dort sehen wollten, wurde 2007 der Bauwettbewerb Humboldt-Forum ausgelobt. An dem Wettbewerb beteiligen sich vergleichsweise wenig Architekturbüros.
SO WIRD's SEIN:
Nach dem Architektenwettbewerb soll 2010 mit dem Bau des Humboldt-Forums begonnen werden. 2013 soll es nach den Angaben von Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) fertig sein. Dafür stehen 552 Millionen Euro zur Verfügung. Für die Barockfassade an der Nord-, Süd- und Westseite will der Förderverein um Wilhelm von Boddien 80 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Bislang sind erst 17 Millionen eingesammelt.
Bis zum Baubeginn des Humboldt-Forums zeigt der White Cube Gegenwartskunst. Das Projekt ist eine der zahlreichen Initiativen, die aus der Zwischennutzung des ehemaligen Palasts der Republik hervorgegangen ist. Ab 2009 soll es auf dem Schlossplatz zusätzlich eine Humboldt-Box geben.
Eigentlich sollte der letzte Treppenturm der Palastruine am Mittwoch abgerissen sein. Doch dann ging ein Bagger kapputt. Nun dauert's.
Und das auf unabsehbare Zeit. Schließlich bedeutet die Zerstörung des DDR-Symbols noch lange nicht, dass ab 2010 wie vorgesehen die Fläche mit einer Schlossrekonstruktion namens Humboldt-Forum wieder besetzt sein wird.
Denn nichts ist klar an diesem Ort. Nicht die Bausumme, nicht die Spenden, nicht die Planungen für das Gebäudeinnere mit 40.000 Quadratmeter Fläche, nicht die benötigten Fassadenelemente, nicht die Kuppelkonstruktion, nicht die Funktion des Eosander- oder des Schlüterhofs - und erst recht nicht das Nutzungskonzept. Daran wird auch der "Architektenwettbewerb Humboldt-Forum" nichts ändern, der am Freitag entschieden wird. Vielmehr dürfte das Ergebnis zu den Fehlstellen seinen Anteil noch beitragen.
Statt etwa in gelöster Erwartung der Architekturentwürfe zu sein, kracht es gerade wieder einmal in der Jury. Preisgerichtsvorstand Vittorio Lampugnani (Rom) und Gesine Weinmiller (Berlin) polterten am Montag vergangener Woche gegen das Barockkonzept und seine Befürworter. Er könne sich für Berlin Besseres vorstellen "als ein altes Schloss", motzte Lampugnani. War das eine Drohung, allzu barocke Kopisten unter den Teilnehmern in die Tonne zu treten?
Die Retourkutsche aus dem Bundesbauministerium folgte natürlich prompt. Wolfgang Tiefensee (SPD) wies die Rebellen in die Schranken. Das geplante Humboldt-Forum werde in den drei historischen Barockfassaden und in der Größe des 1950 gesprengten Stadtschlosses wieder aufgebaut, verordnete er. "Der Bundestag hat das beschlossen. Diesen Beschluss setzen wir um."
Diese herrische Geste von Tiefensee und seine Verweigerung einer inhaltlichen Auseinandersetzung sind symptomatisch für die Probleme am Berliner Schlossplatz. Alle wesentlichen Überlegungen und Beschlüsse zur Zukunft des Ortes resultieren in erster Linie aus politischen Zielvorgaben. Nur an zweiter Stelle rangieren städtebauliche, architektonisch-ästhetische oder funktionale Überlegungen für die "Stadtkrone" Berlins, wie der Stararchitekt und Jurymitglied David Chipperfield (London) klagt. Die Dominanz politischer "Definitionen" sei "ärgerlich", so der Architekt.
Es stimmt: Der Schlossplatz ist nicht baulich, sondern politisch vermint. Politisch entschieden wurde das Ende der Volkskammer 1990. 1998 folgte der Beschluss, den DDR-Palazzo abzureißen. Der Bund und Berlin setzten im Jahr 2000 die "Kommission Historische Mitte Berlin" ein, die 2002 vorschlug, "dass ein Neubau in der Kubatur des Schlosses auf dem originalen Standort anstelle des abzureißenden Palastes der Republik entstehen soll", wie es der Kommissionsvorstand Hannes Swoboda (Wien) hinterher formulierte. Swoboda regte zudem die Rekonstruktion von drei Barockfassaden und des Schlüterhofs an.
Im Juli 2002 stimmte schließlich der Bundestag für den Wiederaufbau des Schlossäußeren in barocker Fassade und seine kulturelle Nutzung als "Humboldt-Forum" - ein großes Museum, die Landesbibliothek und Humboldt-Universität. Der Architektenwettbewerb wurde 2006 erarbeitet und 2007 ausgeschrieben.
Es ist nichts Ungewöhnliches für Architekten, sich in Entwürfen mit Geschichte und Gegenwart zu beschäftigen. Das ist sogar ein reizvoller Job. Bei der Kuppel des Reichstags, den Häusern "Sommer" und "Liebermann" am Brandenburger Tor und am Dialog zwischen Ruine und Neubau der Gedächtniskirche ist das zu sehen.
Der Bauwettbewerb am Schlossplatz jedoch hat den Rekonstruktionsgedanken zum Fetisch erhöht. Das barocke Baudiktat für den Klotz mit 170 mal 100 Meter Fläche und den beiden großen Innenhöfen hat der Bauherr Bund zum Gesetz erklärt. Die Frage "Welche Repräsentationsaufgabe mit welcher Ikonografie gehört in die Mitte Berlins und der Republik des 21. Jahrhundert?" ist gar nicht gestellt worden. Ebenso nicht, ob ein moderner Innenraum zur barocken Hülle überhaupt passt und nicht etwa ein komisches "Zwitterwesen" entstehen könnte. Nein, man ist verrückt nach einer nostalgischen, schöngefärbten Chiffre für das neue Deutschland. Welch ein Unsinn.
Umgekehrt bocken die Barockgegner ebenso unerbittlich. Peter Conradi, früherer Präsident der Bundesarchitektenkammer, warf schon 2002 dem Bund vor, sich auf ein "abwegiges Vergangenheitssymbol" zu versteifen.
Die Baumaßnahme Schloss bedeute "eine absolute Entgleisung für Bauherrn, Architekten und die Republik", legte Christoph Ingenhoven, Architekt aus Düsseldorf, später nach. Meinhard von Gerkan, Architekt des Berliner Hauptbahnhofs, machte sich lustig über den Kopie-Gedanken. Er entwarf während des Streits eine Barockfassade, die er hinter Glas stellte. Das Schloss als Museumsstück.
Wie Christiane Edmaier, Vorsitzende des Berliner Bundes Deutscher Architekten (BDA), denken die meisten Architekten bis heute: "In der Auslobung des Wettbewerbs hätte einer eigenständigen Entwurfshaltung Raum gegeben werden müssen." Der Wiederaufbau verpflichte zu einer "intellektuellen Auseinandersetzung" mit dem Ort, so die BDA-Chefin kürzlich. Zudem bleibe es ein Skandal, dass alle Diskussionen und alternativen Haltungen nicht zugelassen wurden.
Es ist ein großer Fehler in dem Verfahren, dass alle Beteiligten und Verbände nie auf einen Konsens über diese große und wichtigste Bauaufgabe der Republik hingearbeitet haben. Ein Common Sense fehlt, ein Kompromiss ebenso. Es bleibt der Architektenwettbewerb der Gegensätze und Widersprüche - schon darum müsste er noch einmal auf den Prüfstand.
Nicht nur deshalb herrscht Verunsicherung unter den Wettbewerbsteilnehmern und in der Jury. Weil die Schlosshülle das Nutzungskonzept im Innern stark begrenzt - eine fast so große Fläche wäre eigentlich wünschenswert, geht aber nicht -, fehlen für die Unterbringung klare Konturen. Es war die Idee der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die außereuropäischen Sammlungen aus Dahlem, die "Weltkultur", im Schloss zu platzieren. Doch wie reizvoll alte südamerikanische Kanus im Zentrum der Hauptstadt sein dürften, fragt sich gerade nicht nur Staatsminister Bernd Neumann. Offen ist auch, wie sich die Sammlung der Staatlichen Museen mit den weiteren Nutzern - der Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie der Humboldt-Universität - arrangiert. Ist der Raum nicht zu klein? Passt das alles zusammen? Sind diese Inhalte repräsentativ und symbolisch genug?
Bei derartigen Asynchronitäten ist von den verbliebenen 30 von einmal 150 Teams - Tiefensee tönte einmal, es würden über 1.000 Teilnehmer - kaum etwas zu erwarten. Hier kommt jeder Entwurf in Erklärungsnot. Denn mit ihm fangen die Probleme erst an. Insider der Bauszene wollen erfahren haben, es gebe Juroren, die das ganze Verfahren am liebsten "hochgehen" lassen oder zumindest "verschieben" würden. Hat das nicht schon Chipperfield Anfang 2008 angeregt, um wieder einen freien Kopf in dem Widerstreit zu kriegen?
Was tun? Ganz egal, ob und wie der Architektenwettbewerb ausgeht, die Finanzen, die Planung und das Konzept des Humboldt-Forums müssen noch einmal geprüft werden. Das wäre besser, als ein schlechtes Ergebnis zu feiern - oder gar eine Fehlentscheidung zu bauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP