: Schlimmer als Georgswerder
■ Statt-Abgeordneter fordert Sanierung des Harburger Grundwassers / Hafenerweiterung und Gewerbeansiedlung neu prüfen Von Marco Carini
Georg Berg schlägt Alarm: „Eine sich massiv ausbreitende Grundwasserverschmutzung, die die Skandalwerte von Georgswerder überschreitet“, hat der Bürgerschaftsabgeordnete von Statt-Rest im Harburger Raum ausgemacht. Da es „keine Hoffnung“ gäbe, daß die Ausbreitung gefährlicher Chemie-Altlasten „lokal begrenzt werden“ könne, gibt es für den Parlamentarier nur eine Devise: „Hier muß großflächig saniert werden“. Neue Bauprojekte, bis hin zur geplanten Hafenerweiterung, könnten „ohne weitere Schadstoffmessungen und Sanierungsschritte“ nicht verwirklicht werden.
Darum geht's: Neben der Harburger Bahnhoflinse (taz berichtete gestern) sind nach behördlichen Unterlagen auch andere Flächen großräumig mit krebserregenden Kohlenwasserstoffen und anderen Umweltgiften konterminiert. Eine Verseuchung tieferer Grundwasserleiter aus denen das Wasserwerk Süderelbmarsch Trinkwasser fördert, ist laut Berg „nicht mehr auszuschließen“.
Unter der Bahnfofslinse wurden in amtlichen und privaten Grundwassermessungen eine Konzentration der hochgiftigen Kohlenwasserstoffe gemessen, die die in Georgswerder ermittelten Werte zum Teil um mehr als 100 Prozent übertrifft. Nur 600 Meter südöstlich von der Bahnhofslinse liegt zudem die ehemalige Harburger Mülldeponie, in der zwischen 1910 und 1968 rund 450.000 Kubikmeter Chemie- und Gewerbeabfälle sowie Hausmüll ihre letzte Ruhestädte gefunden haben. Bereits 1985 ermittelte die Umweltbehörde in Bodenproben hier erschreckende Konzentrationen von Schwermetallen und chlorierten Kohlenwasserstoffen.
Kurios: Obwohl der Senat vor wenigen Wochen darauf hinwies, daß „zur Bestimmung des Gefährdungspotentials ... weitere Untersuchungen des Deponiekörpers erforderlich“ seien, wurden hier seit nunmehr 10 Jahren keine neuen Boden-Proben analysiert.
Weitere Kontaminationsherde befinden sich im Bereich um die Raffinerien am Radeland (Shell, Esso u.a.) wo bereits stark erhöhte Konzentrationen des krebserregenden Benzol gemessen wurden. Daneben befinden sich nach der amtlichen Altlast-Prioritätenliste neun weitere mögliche Grundwassergefährdungs-Verdachtsflächen. Und auch die Hafenschlick-Spülfelder im Süderelbe-Raum gefährden die Grundwasserleiter. Aus einer im Jahre 1991 erschienenen Senatsdrucksache zum „Grundwasserschutz in Hamburg“ geht ganz klar hervor, daß bei der Anlage der „teilweise hoch mit ... Schadstoffen“ belasteten Spülfelder im Bereich des Bezirks Harburg „keine besonderen Sicherungsmaßnahmen für den Grundwasserschutz vorgenommen“ wurden.
„Wenn keine Sanierung dieser Altlasten erfolgt, besteht die Gefahr, daß das Grundwasser in diesen Bereichen für die Hamburger Trinkwasserversorgung mittelfristig verlorengeht“, befürchtet der Stattler Georg Berg. Neben der geplanten Bebauung der Bahnhoflinse (“Das kann man erst nach einer Sanierung machen“) steht für den Politiker auch die Hafenerweiterung zur Disposition. Denn schon heute fördern die Wasserwerke im Süderelberaum nach Georg Bergs Informationen weit weniger Grundwasser als erlaubt.
Problem dabei: Durch geringere Fördermengen kann sich die Fließrichtung des Grundwassers und damit die Ausbreitung von Schadstoffen verändern. In ihrer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zur Hafenerweiterung ging die Wirtschaftsbehörde von einer unveränderten Fördermenge aus. Berg: „Es muß geprüft werden, ob die UVP in diesem Punkt haltbar ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen