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■ Schlimm: Wenn deutsche Sänger Frauen hinterhertextenImmer schön an Anna denken

Laß mich rein: Anna ist ein schöner Name. Kurz und klassisch und sehr schön rhythmisch verwendbar. Vielleicht heißt auch nur die Telefonistin der Gema so oder eine besonders nette Garderobendame in irgendeiner Rockhalle – weiß man nicht. Was man aber weiß: Wenn deutsche Sänger Frauen hinterhertexten, greifen sie gern auf „Anna“ zurück.

Herbert Grönemeyers Frau heißt Anna. „Anna, es fällt mir furchtbar schwer, alle Beschreibungen wirken leer“ – Grönemeyers Anna ist „einfach unbeschreiblich/ ich brauch dich“. Aha. Zur ungefähr selben Zeit besang auch Herr Niedecken eine Anna, viel mehr ist da für Nichtkölner wie immer nicht zu verstehen, nur soviel – Anna soll sich nicht umdrehen. Auch sei sie eine „komische Frau/ und das weißt du genau“, aber warum nicht umdrehen? Steifer Hals, zu lang „nackt im Wind“ gelegen? Wenn schon nicht die Frau, so kann man zumindest den Namen umdrehen und wenden wie man will, da passiert gar nix, wie die Gruppe Freundeskreis aktuell analyisiert: „Von hinten wie von vorne“. Der veritable HipHipHopHop-HitHit von Freundeskreis ist der wohl beste Beitrag im langjährigen Anna-Bemühen, das vor drei Jahren mit der Interpretation der unsäglichen Schröders seinen Tiefpunkt erreichte.

Die Schröders kommen aus Bad Gandersheim, haben laut gern erzählter Schnurre ihren Bandnamen „aus dem Telefonbuch“ und die bedauerliche Lyrik dann wohl aus den Gelben Seiten: „Du bist nicht so geil wie Eva, die ist ohne Worte“, wird, ländlich geprägt, geröhrt. Ganz früher – liebe Kinder, bitte nachmachen! – bestach Stefan Remmler minimalistisch und gekonnt wie keiner und wollte von Anna rein und geichzeitig rausgelassen werden. Überhaupt hatte Herr Remmler die zwangloseste Beziehung zur ominösen Dame, wird im Liedverlauf aus ihr doch zunächst mal Bertha, dann aber nicht Cäcilie, sondern gar Dieter. Ging es Remmler beim Reinraus um Sex? Oder um bloße Ewigdichotomie, ich lieb' dich nicht. Du liebst mich nicht, dadada?

„Wie war das mit Dada?“ fragen auch – und so schließt sich der – Freundeskreis, eine schöne „Annalogie“, würde nun vielleicht Wolle Niedecken vom Wortspielmannszug BAP schmunzeln, denn der ist sich erfahrungsgemäß für gar nichts, also auch für ein sinnloses Besingen des Annachronismus zu schade, und die Schröders tragen immer noch zerrissene Jeans und halten das wohl für „Fun- Punk“.

So unterschiedlich erfreulich die Versuche über die Anna auch ausfallen, so scheint allen Annas doch eines gemein: Einfach sind sie nicht, und eine Beziehung mit ihnen ist alles andere als ein Heimspiel. Der Freundeskreis muß „immer, wenn es regnet“, an Anna denken, und Grönemeyers Anna zwingt ihn sogar zu an Selbstkritik grenzende Reflexion: „Anna, meine Poesie/ die mochtest du noch nie/ jetzt siehst du/ was du davon hast“.

Und: Wer nun ist Anna? Und was ist mit den Beiträgen von den Herren Kunze und Lage? Und wieso haben Toten Hosen noch die Annarchie ausgesungen? Und die Ärzte die Annale Phase? Wigald Boning Anna Waffel? Freundeskreis' gelungene „Anna“ ist also leider wohl noch nicht das Ende vom Lied. Laß mich raus. Benjamin v. Stuckrad-Barre

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