Schleswig-Holsteins CDU erneuert sich: Der gesetzte Sieger
Anfang Mai kürt die CDU in Schleswig-Holstein ihren Spitzenkandidaten. Außer Fraktionschef Christian von Boetticher gibt es keine weiteren Bewerber.
HAMBURG taz | Ein Jahr vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein kürt nach der SPD nun auch die CDU ihren Spitzenkandidaten. Das Ergebnis des Parteitags am Freitag kommender Woche steht schon fest: Mit Christian von Boetticher, den Ministerpräsident Peter Harry Carstensen schon seit Jahren zum Thronfolger aufbaut, tritt nur ein einziger Kandidat an.
Er wird sich, auch das ist klar, von den Delegierten geheim wählen lassen - auf eigenen Wunsch, so Landesgeschäftsführer Daniel Günther: In einer Runde von Kreis-Parteichefs habe von Boetticher "seine Tendenz für eine geheime Abstimmung zum Ausdruck gebracht".
Damit konterte Günther einen Bericht der Lübecker Nachrichten, wonach der gesetzte Sieger auf Nummer sicher gehen wollte: Eine offene Abstimmung würde mehr Ja-Stimmen bringen.
Denn so ganz unumstritten ist von Boetticher bei den eigenen Leuten nicht. Vor einem halben Jahr wurde der Jurist, 1970 in Hannover geboren, Landesparteichef, seit Beginn der laufenden Legislaturperiode steht er der Landtagsfraktion vor. Genutzt hat der blasse Blonde diese Machtfülle bisher nicht so recht.
Zwar trat er im vergangenen Herbst als einer der wenigen Kritiker der Wehrpflicht-Abschaffung kurz ins bundespolitische Rampenlicht - und wurde mit dem Versprecher "Du reitest einen Toten geil, Gaul, tschuldigung" zum Youtube-Star. Inhaltlich aber konnte er sich nicht durchsetzen.
Im Landtag bleibt der Fraktionschef unauffällig: Beim großen Thema der Regierung, dem Doppelhaushalt, dauerte es lange, bis von Boetticher seine Fraktion versammelt hatte.
Klar ist die konservative Grundhaltung des Reserveoffiziers der Luftwaffe, der als Student Mitglied einer schlagenden Verbindung war. So schuf von Boetticher als Landwirtschaftsminister ein Jagdgesetz, das den Abschuss von Schwänen, Blässhühnern und Dachsen vorsah - ein Geschenk an die Waidmänner im Lande, nicht zuletzt an Parteifreund Carstensen. In seiner Kurzzeit-Rolle als Sozialminister lernte von Boetticher, dass in dem Bereich zuviel ausgegeben wird.
Welche Ziele er aber genau hat, ist unklar, auch der politischen Konkurrenz: Er wisse schlicht nicht, was der designierte CDU-Spitzenkandidat für die Zukunft verkörpert, sagt etwa Grünen-Fraktionschef Robert Habeck.
Zurzeit tritt von Boetticher für eine Energiewende ein - beim Parteitag in Norderstedt will die Landespartei ein energiepolitisches Eckpunkte-Papier verabschieden. Die Richtung hatten von Boetticher und Ministerpräsident Carstensen im Landtag gewiesen: Ziele sind das Aus für unsichere Atomkraftwerke, zu denen die Partei die Pannenmeiler Brunsbüttel und Krümmel zählt, und der schnelle Ausbau der Windkraft.
Schleswig-Holstein soll Strom exportieren und will den Bau von "Stromautobahnen" in den Süden vorantreiben. Die CDU tritt für ein "Investitionsbeschleunigungsgesetz" ein, das für schnelle Genehmigungen sorgt - allerdings auch Proteste und Klagen erschwert. Im Gegenzug sollen sich Bürger in Genossenschaften an den Netzen beteiligen können.
Die Partei setzt weiter auf Kohle als "Brückentechnik" und will ein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel bauen. Das anfallende CO2 per CCS-Technologie unterirdisch zu speichern, lehnt die CDU aber ab. Da ist es konsequent, dass sie die CCR-Technik will: Hier geht es um die bisher wenig erforschte Abspaltung und Wiederverwendung des Klimagases.
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