piwik no script img

Schlesier verurteilen den 'Schlesier‘

Landsmannschaft distanziert sich von antisemitischen Äußerungen im ehemaligen Verbandsorgan / Vertriebenenpolitiker Hupka will die Zeitung nicht mehr informieren / Zeitung mit einschlägiger Geschichte  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Die Schlesische Landsmannschaft hat sich von den Ausfällen der Vertriebenenzeitung 'Der Schlesier‘ distanziert. Wie berichtet, hatte das Blatt in seiner jüngsten Ausgabe über die Gedenkfeiern zu den November -Pogromen vor 50 Jahren geschrieben, führende Politiker, Geistliche, Gewerkschafter und Arbeitgeber „verkleiden sich als Juden und dreschen einmütig auf ihr Volk herunter“.

In einer ersten Stellungnahme erklärte der FDP-Innenexperte Wolfgang Lüder, die „üble Hetze“ habe die „Grenze zum Antisemitismus weit überschritten“. Ebenso wie der Obmann der SPD im Innerdeutschen Ausschuß, Hans Büchler, forderte Lüder vom Vorsitzenden der Schlesischen Landsmannschaft, dem Unionspolitiker Herbert Hupka, sich unmißverständlich zu distanzieren. Dem kam Hupka gestern nach.

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landsmannschaft erklärte der Bundesvorsitzende der „Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU“, „die jüngste Einlassung der privaten Wochenzeitung wird entschieden und mit Empörung zurückgewiesen und verurteilt“. Hupka, der in der Vergangenheit wiederholt als Autor für den 'Schlesier‘ tätig wurde, erklärte weiter, der Vertriebenenverband werde ab sofort seine Mitteilungen nicht mehr in der Wochenzeitung veröffentlichen.

Für den Bund der Vertriebenen stellte deren Vorsitzender Koschyk fest, die Beiträge im 'Schlesier‘ gäben in keiner Weise die Auffassung seiner Organisation wieder. SPD-Obmann Büchler forderte gestern weiterhin die Bundesregierung auf, die Zuschüsse an die Schlesische Landsmannschaft zu überprüfen.

Für die Schlesische Landsmannschaft ist der Skandal um die Äußerungen mit der Distanzierung erledigt. Deren Kulturreferent Alfred Theisen erklärte, in dem Wochenblatt seien zuletzt nur noch organisatorische Mitteilungen veröffentlicht worden, um auch die „unpolitischen Mitglieder“ des Verbandes zu erreichen. Nach den jüngsten „Entgleisungen“ soll „in Zukunft ein klarer Trennungsstrich gezogen werden“.

Für chauvinistische Äußerungen war 'Der Schlesier‘, der den Untertitel „Mitteilungsblatt der Landsmannschaft Schlesien, Nieder- und Oberschlesien“ führt, in der Vergangenheit wiederholt zu haben. Zuletzt attackierte das Blatt nicht nur Bundespolitiker, es forderte auch den Rücktritt des Vorsitzenden der Landsmannschaft.

Bis 1985 war die Zeitschrift, die in einer Auflage von 16.000 Exemplaren von Recklinghausen aus vertrieben wird, das offizielle Organ der Schlesischen Landsmannschaft. Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es unter anderem anläßlich der Berichte über das Schlesiertreffen 1985, als das Motto der Veranstaltung „Schlesien bleibt unser“ auf Druck der Öffentlichkeit und des teilnehmenden Bundeskanzlers geändert wurde.

Etwa zeitgleich polemisierte das Blatt damals gegen die Deutschlandpolitik der Bundesregierung und forderte sogar die Sicherung der „deutschen Grenzen von 1937“. Daraufhin trennte sich die Landsmannschaft vom 'Schlesier‘ als offiziellem Organ, benutzte es aber weiterhin als Mitteilungsblatt.

Auf Reaktionen angesprochen, reagierte 'Schlesier' -Herausgeber und Chefredakteur Ilgner ausgesprochen pampig: „Ich gebe keine Interviews. Warten Sie doch ab, was in der nächsten Ausgabe steht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen