piwik no script img

Schleichwerbung in der KitaWerbung zum Ausmalen

Viele Kitas können sich kein Papier mehr leisten. Da helfen Unternehmen gerne aus und schicken Malbücher, Comics und Aufkleber - mit Markenlogos.

Je früher desto besser: Für die Werbeindustrie sind Kita-Kinder eine beliebte Zielgruppe. Bild: imago/cordonpress

BERLIN taz | Der Kinderhort Gropiusstadt in Berlin ist knapp bei Kasse. "Wir freuen uns über jede Unterstützung", sagt Erzieherin Astrid Meier. Seit etwa zwei Jahren bekommt der Kindergarten immer wieder Pakete mit Geschenken. Diesmal dabei: Aufkleber, Comic-Hefte und Malbücher.

Die Aufkleber zeigen einen roten Elefanten, bekannt aus den matschigen Abdrücken von Kindergummistiefeln der Marke Elefanten. Auch in den Comics ist der Held ein roter Elefant, Elefantös heißen die Hefte. Und für jedes Kind ist ein Malbuch dabei. Bärchen sind auf die Seiten gedruckt zum Ausmalen. Der Umschlag des Malbuchs zeigt die rosafarbene Wurst der Fleischerei Reinert – in Bärchenform.

"Kindergärten sind schlecht ausgestattet, vor allem Papier ist oft Mangelware", sagt Ulf Lucas, Geschäftsführer von Blattwerk Media. Die Firma findet Sponsoren für Kindergärten und Grundschulen. "Unternehmen versprechen sich natürlich Produktplacement und einen Imagegewinn. Gleichzeitig versuchen wir einen pädagogischen Wert des Sponsoring zu gewährleisten", erklärt Lucas. Kindergartensponsoring entlaste öffentliche Kassen und Eltern.

Vierzehn Prozent aller Kindergärten in Deutschland befinden sich im Sponsoring-Pool der Vermittlungsfirma. Der Papiermangel wird hier mit Malbüchern und XXL-Malplakaten bekämpft. Neben den Wurstbärchen malen die Kinder die Heldinnen der Kindersendungen von Super RTL aus. Nebeneffekt: Die Plakate lassen sich nach dem Ausmalen auch aufhängen.

Etwa hundert Unternehmen arbeiten mit Blattwerk Media zusammen. Das Angebot ist breit. Unternehmen platzieren ihre Werbebotschaften auf Puzzles, Essunterlagen, Bastelmaterial, Spielen, Stiften, Zahnbürsten sowie in Mitmach-Aktionen und Gewinnspielen. Auch Produktproben bringt die Firma an das Kind.

Bild: taz

Diesen Text über Werbung im Kindergarten und viele weitere spannende Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 5./6. März 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de erhältlich. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Großes Aushängeschild ist die Aktion "Klassik für Kinder". Die Firma organisiert, ganz im Sinne eines humanistischen Bildungsideals, Klassikkonzerte und kümmert sich um Sponsoren für die Finanzierung.

Eltern sind einverstanden

Jacqueline Lucks ist Erzieherin bei Kindergärten City in Berlin. Sie bekommt von Blattwerk Media Probepakete für ihre Kindergruppen. Säfte sind dabei, von FruchtTiger, Bärchenwurst, Babyprodukte von Milupa und Backutensilien von Aurora. Dazu die passenden Malbücher - mit Tiger, Bärchen und dem kleinen Aurora-Koch. "Wir haben die Eltern von Anfang an über das Sponsoring informiert", sagt Lucks. "Die Reaktionen waren positiv."

Manchmal ist in den Paketen auch etwas für die Eltern dabei, die ebenfalls zur Zielgruppe gehören, denn die Kinder zeigen ihre Meisterwerke aus den Malbüchern stolz zu Hause vor. Die Jungen und Mädchen erfahren nicht, woher die Geschenke kommen. Die seien zu klein, um das Konzept von Werbung zu verstehen, und "Malen schadet ja nicht", fügt Astrid Meier hinzu.

Doch beim nächsten Supermarktbesuch, mit Papa vor dem Kühlregal, erkennt das Kind die Bärchen aus dem Malbuch in Fleischrosa wieder - als Bärchenstreich. Den lustigen Tiger sieht es im Saftregal. "Das Ausmalen von Identifikationsfiguren der Produktwerbung stellt natürlich ein Produktplacement dar", sagt Petra Sandhagen, Dozentin der Medien- und Entwicklungspsychologie an der Uni Hildesheim.

Professor Peter Cloos vom Niedersächsischen Forschungsverbund Frühkindliche Bildung und Entwicklung kritisiert, dass Kinder im Vorschulalter die Wirkung von Werbung nicht reflexiv, kritisch und distanziert bearbeiten können.

Blattwerk Media ist nicht die einzige Firma, die Unternehmen den Zugang zur Zielgruppe Kind ermöglicht. Immer mehr Vermittlungsfirmen gründeten sich in den letzten Jahren. "Wir sehen uns als Makler zwischen Unternehmen und Kindergärten", meint André Mücke, Geschäftsführer von DSA Youngstar.

Spannende Zielgruppe

Die Firma betreibt Bildungsmarketing in 5.000 Kindergärten, 9.000 Schulen und 150 Hochschulen. "Kinder und Jugendliche sind eine der spannendsten Zielgruppen überhaupt. Sie entwickeln Markenpräferenzen, die häufig für viele Jahrzehnte prägend sind", führt Mücke an.

Sponsoring in Kindergärten und Schulen ist in allen Bundesländern erlaubt, auch wenn die genauen Ausgestaltungen je nach Bundesland variieren. "Gesetzlich hatten wir keine Probleme", bestätigt Ulf Lucas.

Ohne die Vermittlungsfirmen hätten Unternehmen kaum eine Chance, ihre Werbung in Kindergärten zu platzieren. "Am Anfang waren wir skeptisch, aber der pädagogische Anspruch hat uns überzeugt", meint Astrid Meier. "Das ist etwas anderes, als wenn uns jemand nur Werbung schickt. Hier haben die Kinder etwas davon."

Die private Hand rühmt sich damit, unterfinanzierte Kindergärten pädagogisch wertvoll zu unterstützen. Doch geht es dabei kaum um die in der Aktion "Klassik für Kinder" suggerierte ganzheitliche Bildung der Kinder. Die Unternehmen nutzen das Problem für ihre eigenen Zwecke und ziehen mit subtilem Produktplacement in pädagogischen Zuwendungen eine neue Generation Konsumenten ihres Produkts heran.

"Der Kindergarten hat eine lange Tradition eines Schonraums. Kinder sollen sich hier in einem geschützten Rahmen entfalten können", sagt Erziehungswissenschaftler Cloos.

Durch diesen Schonraum wabert nun der Geruch von Bärchenstreich, an den Wänden prangen die Malplakate der Super-RTL-Heldinnen. Und die Kinder sind längst schon zur Zielgruppe degradiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • G
    Glotzenfeind

    Vor allem ist es möglich, daß völlig verlottertes Marketinggesindel Kinderfreundlichkeit vortäuscht, um ihre wert-, geist- und charakterlose Schnorrerexistenz im gesetzlichen Grenzbereich und ethischen Niemandsland abzusichern.

    Und mal im Ernst: wie arm im Geiste und an Geld muss man denn sein, um Malhefte und Bärchenwurst als Unterstützung zu empfinden?! Da hat ja jeder Bettler in der Fußgängerzone mehr Würde als solche Eltern und Erzieher.

  • CB
    Cpt. Babelfisch

    Zeit für ein Bill Hicks Zitat, der, wie so oft, auch zu diesem Thema nur Intelligentes zu sagen hat:

    " You work in marketing or PR ? Then kill yourselves ! No, seriously, this is no joke !

    Kill yourselves, and rid this world of your existence, you evil scumbags !! (...) "

  • C
    CLEO

    ..die Manipulation von Kindern ist unfassbar..siehe auch die Werbeveranstaltungen von Vattenfall an

    Schulen...ELTERN WEHRT EUCH!:)

  • U
    ukimiku

    Was sollte das für ein Professor sein, der kritisierte, dass Kinder Werbung nicht reflexiv bewerten können?? Die Kinder können doch nichts dafür, dass sie das nicht können in dem Alter. Und ändern kann man das wohl auch nicht. Hier ist wohl die eigene kritische Haltung gegenüber der Werbung in KiTas mit dem Verfasser des Artikels durchgegangen. Wahrscheinlich hat der Professor die bei Kindern noch nicht vorhandene Fähigkeit zur distanzierten Bewertung von Werbung im Zusammenhang mit der Schleichwerbung nur zu bedenken gegeben - und nicht etwa kritisiert.

  • PU
    Petra und Klaus

    Wir verstehen die ganze Aufregung nicht. Es ist doch unumstritten, dass es Kindergärten im allgemeinen nicht besonders gut geht und das ohne das Engagement der Eltern und Sponsoren vor Ort schon lange nichts mehr bewegt werden kann. Uns ist ein engagiertes Sponsoring innerhalb von Kindergärten und Schulen lieber als die Plakate vor Einrichtungen oder Fernsehspots etc. wo den Einrichtungen nicht geholfen wird. Durch unsere Kinder (5J. und 8J.) wissen wir wovon wir reden!

  • M
    Markus

    Eine Bodenlose Frechheit...dass diese Kommerzialisierung schon Einzug in die Kindergärten hält. Unser Staat nimmt seine primären Aufgaben nicht mehr wahr - wieso sonst sehen sich Kindergärten gezwungen Ihren Materialbedarf (Papier etc.) über solche 'dubiosen' Vermittler wie Blattwerk Media zu decken? Ich finde erschreckend welchen Zeiten wir entgegengehen...

  • MD
    Mutter, die Werbung boykottiert

    Dumme, entpolitiserte (V)Erzieher/innen = in jeder Hinsicht lenkbare und biegbare (V)erzieher/innen = drillen die ihnen anvertrauten Kinder zur Total-Anpassung an die kapitalistischen Lebensverhältnisse.

    Sowas gabs ebenfalls von 1933 bis 1945.

    Man gucke nur mal die Curricula der so genannten Pädagogen-Ausbildungen an; da wird einem / einer schlecht, weil nicht mehr politisch diskutiert, sondern nur noch auf Anpassung der Kinder und Jugendlichen eingenordet wird.

    Und die Eltern sind ebenfalls dumm wie Stulle, wenn die die Werbe-Erziehung befürworten.

    Ich ziehe die Konsequenzen und nehme sofort mein Kind aus der so genannten Bildungseinrichtung, hier: (genannt) Kindertagesstätte, heraus.

    Mäusezirkuns und Affentheater gibt es woanders.

    Vielleicht wollen das auch andere Eltern machen?

  • P
    Paria

    Kinder brauchen überhaupt keine Malbücher. Stumpfsinnig vorgegebene Grafiken ausmalen zerstört nämlich ihre Kreativität.

  • AM
    Angry Mob

    Und das verdanken wir:

    CDU/SPD/GRÜNE/FDP = Neo-Liberalismus

    Vielen Dank ihr Heuchler.

  • O
    olgapapolga

    Frucht Tiger ist KEIN Saft. Das Zeug enthält mehr Zucker als so manche Limo!

  • M
    mami

    Bärchenwurst. Boah, eklig. Gibt es auch Bärchenwurst mit dem Bild von Kristina Schröder?