Schlag gegen rechte Szene: Razzia gegen Neonazi-Rocker
In einer bundesweit koordinierten Großrazzia wurden mehr als 200 Wohnungen und Geschäftsräume der braunen Musikszene durchsucht.
Sie tragen Titel wie "Braun is beautiful", "Inborn Hate" oder "Hauptkampflinie". Mehr als 45.000 Tonträger dieser Art haben Polizeibeamte gestern bei einer bundesweit angelegten Durchsuchungsaktion in 224 Wohnungen und Geschäftsräumen beschlagnahmt. "Aggressiv, menschenverachtend und volksverhetzend" sei der Inhalt dieser Musikträger, sagte Carsten Voß, leitender Direktor am Bundeskriminalamt. An dem Einsatz waren etwa 800 Kräfte beteiligt.
Die Ermittler waren bei Internetrecherchen im Jahr 2007 auf die Spur der Musikszene gestoßen. Sie hatten damals eine Auktionsplattform entdeckt, auf der rechtsextreme Tonträger vertrieben wurden. Als Verantwortlicher gilt ein 34 Jahre alter Mann aus Baden-Württemberg, der den Behörden seit Langem bekannt ist. Bereits im Herbst 2007 hatte es bei ihm eine Razzia gegeben. Verhaftet wurde er aber nicht. Es sei den Behörden darum gegangen, andere Beschuldigte zu fassen und die Struktur der Szene zu zerschlagen, sagte Voß. Ansonsten wären ähnliche Seiten sofort wieder im Netz aufgetaucht.
Nun stehen 204 Personen im Verdacht, über die Plattform mit rechten Liedern gehandelt zu haben. Rund 100 Beschuldigte sind zwischen 21 und 45 Jahre alt und als rechtsradikal bekannt. Bei den anderen handelt es sich um Rechte, die durch die schlichte Menge der Bestellungen im Verdacht stehen, mit den CDs gehandelt zu haben.
Haftbefehle gibt es bisher gegen keinen einzigen der Beschuldigten. Das kann sich aber ändern. Die Ermittler werden in den nächsten Monaten damit beschäftigt sein, zahlreiche ihnen bisher noch nicht bekannte Lieder aus der rechten Szene anzuhören. Erst dann stellt sich heraus, wer von den Beschuldigten in welchem Umfang mit braunem Gesang gehandelt hat. Die Webseite, über die die Waren gehandelt wurden, war auch nach der gestrigen Razzia im Netz noch aufrufbar. Wann und ob sie abgeschaltet wird, vermochten die Behörden nicht zu sagen.
Die Ermittler feierten die Aktion als großen Erfolg. Unter dem Namen "AG Netzwerk" liefen die Untersuchungen nach einem Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz seit 2007. "Einen solchen strukturierten Einsatz gegen rechte Musik hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben", sagte Voß. Er kündigte weitere Ermittlungen als Warnung an die rechte Szene an. Auch der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Siegfried Mahler sprach von "Prävention" und "Abschreckung". Musik sei ein wesentlicher identitätsstiftender Faktor der rechten Szene, sagte er. "Sie ist ihr verbindendes Element." Vor allem diene sie zur Rekrutierung neuer Anhänger.
Zugleich räumte Chefermittler Voß ein, dass das Problem des Handels mit verbotener Musik mit der Razzia mitnichten gelöst ist. In den letzten Jahren würden immer mehr Händler "ihren braunen Schund" von Nachbarländern aus schicken. Dies würde eine Strafverfolgung nach dem vergleichsweise restriktiven deutschen Recht erheblich erschweren.
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