Schlachterkurs in Irland: Frankfurter Würstchen selbst gemacht
Die Kochschule Ballymaloe ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Ein Highlight dort sind die Schlachterkurse, in denen man auch lernt, Wurst zu machen.
Vegetarier sind nicht im Raum, als Philip Dennhardt eine Schweinehälfte hereinschleppt und auf den Tresen legt. Zuerst demonstriert er, wie man ein Messer richtig wetzt, dann macht er sich damit an dem Tier zu schaffen. Für die Knochen benutzt er eine Säge. Über dem Tresen sind schräg gestellte Spiegel angebracht, damit man ihm auf die Finger schauen kann. Für Nahaufnahmen gibt es eine Kamera, die das Bild auf einen Monitor überträgt. Dennhardt trennt in Windeseile Bein, Schulter, Lende und Bauch ab.
Die meisten Zuschauer machen sich eifrig Notizen, denn sie haben viel Geld für den Schlachterkurs in der Kochschule Ballymaloe im Osten der irischen Grafschaft Cork bezahlt. Die Schule ist weit über Irlands Grenzen hinaus bekannt, sie wurde 1983 von der Fernsehköchin und Buchautorin Darina Allen gegründet. „Ballymaloe“ bedeutet „Ort des süßen Honigs“.
Neben der Kochschule gibt es eine 40 Hektar große Biofarm und das Restaurant Ballymaloe House, das zum Teil aus dem 15. Jahrhundert stammt. Hier hat bereits Marlon Brando gespeist, und hier findet jeden Mai ein kulinarisches Literaturfestival mit Besuchern aus aller Welt statt.
Neben den Tageskursen kann man auch einen zwölfwöchigen Intensivkurs belegen. Der kostet fast 11.000 Euro, Kost und Logis inbegriffen, aber man kann sicher sein, mit dem Abschlusszeugnis in der Tasche einen Job zu finden. Die meisten Teilnehmer am Tageskurs haben bereits Jobs: unter anderem der Sohn eines Restaurantbesitzers; ein Tourist aus den USA, der die Wurstherstellung als Hobby betreiben will; und die einzige Frau, die etwas über Fleischsorten lernen möchte.
Dennhardt legt los. Er ist groß, sehr groß. Seine dichten Locken regen unter der Kochmütze hervor. Der 34-Jährige stammt aus Ludwigsburg bei Stuttgart. Sein Urgroßvater war Metzger, sein Großvater auch, doch sein Vater hat die Familienmetzgerei verkauft. Dennhardt ging in einer Bank in die Lehre. „Es war unendlich langweilig“, sagt er.
Als Fleischer nach New York
Stattdessen machte er seinen Meister als Fleischer in Hamburg mit Abschlussnote 1 und dem Empfang des „Ehrenstahls“ als Innungsbester. Nach seinem Abschluss bekam er ein Angebot eines deutschen Fleischers aus New York. „Ich habe mich nicht sonderlich gut mit ihm verstanden“, sagt Dennhardt, „aber in New York habe ich meine Frau kennengelernt.“ Emily ist die Tochter von Darina Allen.
Als Dennhardt nach Ballymaloe kam, verriet er zunächst nichts von seiner Ausbildung. Nachdem man ihm ein paar Grundregeln des Schlachterhandwerks beigebracht hatte, verblüffte er seinen Lehrer, indem er ein ganzes Schwein mit der Präzision eines Chirurgen zerlegte. Dennhardt liebt Ballymaloe: „Das Klima ist toll, das Meer liegt vor der Tür, und der Biogarten ist einmalig.“
In der Pause können sich die Kursteilnehmer davon überzeugen. Der „Farm Walk“ führt vorbei an einer Trauerweide zu den Feldern, auf denen Kartoffeln, Rhabarber, Kohl, Erdbeeren und Rüben wachsen. In den Gewächshäusern geht es exotischer zu. Hier gedeihen Auberginen, mediterrane Kräuter, Wein, Granatäpfel, Kiwis und Feigen.
Schwarze Berkshires und Mahagonischweine
Rechts von den Gewächshäusern leben die Tiere: Jersey-Kühe, die Milch für Käse und Joghurt liefern, 400 Hühner sowie Schweine von seltenen Rassen – Gloucester Old Spots mit pigmentiertem Fleisch, schwarze Berkshires, eine der ältesten Edelschweinerassen, und rotbraune Tamworth Pigs, die wegen ihrer Farbe auch Mahagonischweine genannt werden.
Aus dem biologisch angebauten Obst und Gemüse werden auch Soßen und Sauerkonserven hergestellt, die inzwischen in US-Supermärkten erhältlich sind. Weil die „Amis“ wenig mit dem Begriff „Tomato Relish“ anfangen können, vermarkten die Allens die Tomatensoße als „Gourmet Ketchup“.
Zum Lunch wird den Kursteilnehmern selbst gemachte Pizza serviert. Dennhardt hat damit 2008 begonnen, nachdem sich die Kochschule einen holzgefeuerten Pizzaofen von Valoriani in Italien besorgt hatte. Dennhardt lernte die Kunst der Pizzabackens in Rom und bei Pizzaiolo Oakland in Kalifornien, dem berühmtesten Pizzatempel in den USA.
Jeden Samstag ist in Ballymaloe Pizzatag, der Ofen wird um sieben Uhr morgens befeuert, damit er mittags die richtige Temperatur hat. Eine Pizza ist dann in anderthalb Minuten fertig. Die Pizzen gibt es auch tiefgefroren in mehreren lokalen Supermärkten. Wer das Pizzabacken lernen möchte, kann einen Kurs bei Dennhardt belegen.
Das Schwein muss weg
Heute steht aber das Schwein auf dem Programm. Nach der Pause werden die Reste vom Tier verwurstet. „Es ist vollkommen logisch, Wurst zu machen“, sagt Dennhardt, „denn ein frisch geschlachtetes Tier verdirbt, wenn man es zu lange lagert. Kein Wunder, dass schon die Sumerer und Chinesen vor Tausenden Jahren Wurst gemacht haben.“
Dennhardt zieht einen Darm über die Tülle der Wurstmaschine und füllt den Behälter mit der Wurstmasse, einer Mischung aus magerem und fettem Fleisch, Salz, Pfeffer, Koriander, Muskatnuss und Eiswürfeln, alles durch den Fleischwolf gedreht. Einer der Kursteilnehmer darf an der Kurbel drehen, und die Wurstmasse gleitet in den Darm – fertig sind die Frankfurter.
„Fleischer soll man heutzutage nicht mehr sehen“, sagt Dennhardt. „Alles ist verpackt, alles ist sauber. Ich bin aber ins Fleischergewerbe hineingeboren, es liegt mir im Blut.“
Von der Schweinehälfte ist nichts übrig geblieben, nicht mal der Kopf: Er ist zu Sülze verarbeitet worden, das Tier kann mit den Esswaren, deren Rohstoffe es geliefert hat, zufrieden sein. Die Kursteilnehmer sind es auch. Zum Abschluss dürfen sie die Produkte verzehren.
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