■ Schimpfen auf Fast food ist Mode, Selbstbedienung schlimmer: Vorm Weltuntergang
Schimpfen auf Fast food ist Mode. In Italien ohnehin, wo wir glauben, daß wir Essen, Kochen und Feinschmeckerei schon vor der Schöpfung erfunden haben. Kein Zweifel, daß Fast food eine Entartung der Gastronomie ist. Aber leider fordert unsere Welt mit ihrer Schnellebigkeit auch dazu heraus. Gemütlich hinsetzen hat sie uns so gründlich abgewöhnt, daß wir, selbst wenn wir Zeit haben, nicht mehr dazu kommen. Ebenso wie wir nicht mehr richtig kauen können, weil wir erstens wenig Zeit haben und zweitens immer noch etwas nebenher machen müssen: Zeitunglesen, Fernsehen, einen Streit austragen. Daß man den Mund hält, während man ißt, war einst nicht nur eine anerzogene Sitte, es ist auch für den Körper wichtig; man schluckt viel weniger Luft, bläht den Bauch so weniger auf und trägt zur guten Verdauung bei. Nichts gegen ein gutes Tischgespräch, es kann sehr verdauungsfördernd sein – aber eben nur, wenn man die zum Reden verwendeten Zeitabschnitte zum Verdauen nutzt und nicht noch schlingt, während man redet.
Daß Fast food ernährungstechnisch schädlich ist, wissen wir alle. Trotzdem sind die dadurch verursachten Mangelerscheinungen weniger schlimm als die Folgen einer anderen neuen Mode: die des Selbstbedienungsbüffets. Es wird ja neuerdings nicht nur zum Frühstück angeboten. Viele Hotels überlassen neuerdings dem Kunden auch mittags oder abends die löffelweise Zusammenstellung seiner drei oder fünf Gänge. Das spart Personalkosten und erweckt den Wahn, man könne sein Essen besonders individuell zusammenstellen. Eine Katastrophe. Denn niemand weiß weniger als der Esser, was zusammenpaßt. Der ißt nur mit den Augen und dem Gefühl, daß er am Büffet so viel nehmen kann, wie er will. Nicht im Hinblick auf die Stoffe, die er da ineinandermengt.
Früher fragte der Kellner im Restaurant zunächst nach dem Hauptgang: lieber Fisch oder Fleisch? Gebraten oder gesotten, gegrillt oder blanchiert? Erst wenn man gewählt hatte, empfahl er das richtige Getränk dazu und beriet einen bei den passenden Vorspeisen: Antipasto oder gleich Spaghetti, ein Sorbet dazwischen – alles war auf den Hauptgang ausgerichtet. Heute fragt der Kellner: „Was möchten Sie zum Antipasto?“ Danach kommt er erneut für die Nudeln, dann für das Hauptgericht, und ausgewählt wird nach dem noch vorhandenen Platz im Magen. Nicht nach dem, was verdauungstechnisch richtig wäre. Grauenhaft. Vermutlich wird die Menschheit dereinst nicht an der Umweltverschmutzung zugrundegehen, sondern an einer gigantischen Magenverstimmung. Aleardo Zoina
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen