Schiffsuntergang: Die Kogge und der Kommunikations-K.o.

Feuerwehr und Polizei widersprechen sich weiterhin in der Frage, wer wann alarmiert wurde. Nun ist eine Untersuchung fällig.

Trauerspiel: die havarierte Hansekogge im Bremer Hohentorshafen. Bild: Michael Bahlo

BREMEN taz | Der Untergang der Hansekogge im Januar schlägt immer noch Wellen. Am frühen Morgen des 28. Januar war die Rekonstruktion des historischen Bremer Wahrzeichens, die an der Schlachte vertäut lag, gesunken. Und noch immer ist ungeklärt, warum es direkt danach zu fatalen und möglicherweise sehr folgenreichen Kommunikationspannen zwischen Polizei und Feuerwehr kam. Als letztere mit ihren Hochleistungspumpen endlich am Unfallort eintraf, ragten nur noch der Mast und einige Heck-Aufbauten des 24 Meter langen Holzschiffes aus dem Wasser.

Nachfragen der taz hatten ergeben, dass die Feuerwehr erst um 3.44 Uhr über das Sinken informiert wurde – eine geschlagene Dreiviertelstunde, nachdem der erste Notruf bei der Polizei einging. Die wurde eigenen Angaben zu Folge bereits um 2.59 Uhr von einem Passanten alarmiert, der eine seltsame Schlagseite des Schiffes wahrgenommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es noch möglich, die „Roland von Bremen“ zu betreten.

Warum wurde trotzdem kein Versuch unternommen, das langsam voll laufende Schiff durch Pumpen über Wasser zu halten? Die Feuerwehr hätte in wenigen Minuten vom Wandrahm aus, ihrem Hauptquartier, vor Ort sein können. Bei umgehender Alarmierung, sagt Feuerwehr-Sprecher Michael Richartz, hätte ein Kran mit schwerer Tauchpumpe schätzungsweise um 3.10 Uhr an der Schlachte stehen können. Natürlich will Richartz sich nicht festlegen, dass eine Rettung dann reibungslos und erfolgreich verlaufen wäre, das müsse ausdrücklich der Spekulation überlassen bleiben – „aber man hätte es probieren können“. Zumal das Leck – ein undichtes Ventil – ja nicht sehr groß gewesen sei.

Stattdessen wartete die Polizei auf das Eintreffen der „Bremen 1“, das gemeinsame Einsatzboot von Wasserschutzpolizei und Feuerwehr, das an diesem Morgen ausschließlich mit Polizisten besetzt war. „Als die Kollegen mit der ,Bremen 1‘ vor Ort waren“, sagt Polizei-Sprecher Dirk Siemering, „lief das Wasser bereits über die Reling.“ Für eine Rettung sei es also zu spät gewesen. Und das, obwohl die „Bremen 1“ nach Angaben der Polizei geradezu in Rekordzeit zur Stelle war. Unter ungünstigeren Umständen, sagt Siemering, etwa bei einer Patrouillenfahrt des Boots in Bremen-Nord, wäre die Wasserschutz-Polizei erst sehr viel später an der Schlachte gewesen.

Umso unverständlicher bleibt, warum nicht auch eine Rettung vom Land her versucht wurde. Der Polizeipräsident hat nun eine penible interne Aufarbeitung des Einsatzes angeordnet. Denn untersuchungsbedürftig wird der Vorgang auch dadurch, dass die Polizei angab, die Feuerwehr „unverzüglich“ angefordert zu haben. Die Feuerwehr kann den Zeitpunkt ihrer Erstinformation aber durch gespeicherte Gesprächsmitschnitte belegen. „Daran ist nicht zu rütteln“, sagt Feuerwehr-Sprecher Richartz. Bei der Polizei hingegen sind die Aufnahmen aus dem Lagezentrum bereits gelöscht, wie Polizeisprecher Siemering auf Nachfrage erklärt.

Datenrechtlich ist dieser unterschiedliche Umgang mit den Speicherzeiten korrekt: Die Polizei unterliegt diesbezüglich dem Bremer Polizeigesetz, die Feuerwehr dem datenschutztechnisch wesentlich lockereren Hilfeleistungsgesetz. Inhaltlich steht die Polizei nun allerdings schlecht da. „Wir können“, sagt Siemering, „die widersprüchlichen Angaben bislang nicht aufklären.“

Für das Innenressort, sowohl für die Feuerwehr als auch für die Polizei zuständig, ist das „eine unbefriedigende Situation“. Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer, setzt nun auf die Aufklärungsoffensive des Polizeipräsidenten. Schließlich sei „nicht auszuschließen, dass der Fehler bei der Polizei gelegen haben könnte“.

Dass sich alle offiziellen Stellen nur sehr vorsichtig äußern, hängt auch damit zusammen, dass die heikle Frage der Kostenübernahme durch die Versicherung noch nicht geklärt ist. Die Kogge liegt als Havarist mit ungeklärter Zukunft am Hohentorshafen an Land, allein die Bergung kostete rund 30.000 Euro. Die technische Ausstattung des Schiffes wurde durch das Wasser komplett zerstört. Ob es jemals wieder als Bremer Wahrzeichen umherfährt oder wenigstens als Touristen-Attraktion an der Schlachte liegt, ist ungewiss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.