: Schiffbruch für die Butterfahrer
Die EU beendet den zollfreien Einkauf innerhalb der Gemeinschaft am 30. Juni 1999. Dabei wollten Fährunternehmen, Flughäfen und sogar Bundeskanzler Schröder unbedingt Duty-free und Butterfahrt erhalten ■ Von Robin Alexander
Berlin (taz) – Nach der Abschaffung der Zölle ergeben Einrichtungen zum zollfreien Einkauf eigentlich keinen Sinn mehr. 1991 beschloß die Europäische Gemeinschaft, diese Logik für acht Jahre auszusetzen – bis zum 30. Juni 1999. Gestern entschied die Europäische Kommission in Brüssel, daß diese Frist nicht verlängert wird. Die Kommission prüfte, welche Auswirkung eine Verlängerung des Duty-free-Einkaufs auf die Beschäftigung hätte. „Diese sind eher beschränkter Natur“, erklärte EU-Kommissar Mario Monti dazu gestern. Der zoll- und steuerfreie Einkauf innerhalb der EU wird somit im Sommer endgültig abgeschafft.
Vier Milliarden Mark Steuern sparen die betroffenen Händler, Fluglinien und Butterschiffer jedes Jahr. Die Zeit seit 1991 sollten sie eigentlich nutzen, um ihre Unternehmen auf normale Geschäftstätigkeit umzustellen. Statt dessen aber organisierten sie eine Kampagne und schafften es tatsächlich, die gestrige Entscheidung noch einmal spannend zu machen. Die Bemühungen des Deutschen Duty Free Verbands und seiner europäischen Schwesterorganisationen schienen im Dezember von spektakulärem Erfolg gekrönt. Auf dem EU-Gipfel sprachen sich zwölf von fünfzehn Mitgliedsstaaten für die Beibehaltung von Duty-free innerhalb der Gemeinschaft aus und wiesen die EU-Kommission und den Finanzministerrat an, eine weitere Aussetzung der 1991 beschlossenen Abschaffung zu prüfen. Der deutsche Bundeskanzler hatte damals auf seine Amtskollegen eingewirkt. Gerhard Schröder hatte schon im Wahlkampf geschickt Ressentiments gegen die EU-Kommissare genutzt: Die Eurokraten wollen Duty-free abschaffen, weil sie per Diplomatenprivileg sowieso zollfrei einkaufen!
Aber auch Schröders Einfluß auf die EU-Partner wird nichts nützen. Die Niederlande, Dänemark und Belgien widerstehen bisher eisern dem Werben der Steuersparer-Industrie. Und nur ein einstimmiges Votum aller Finanzminister kann die gestrige Empfehlung der Kommission umstoßen. Gute Gründe für eine weitere Subventionierung der Duty-free-Unternehmungen durch Steuernachlaß sind rar. 147.000 Arbeitsplätze in Europa sehen Gutachten gefährdet, die Lobbyisten in Auftrag gegeben haben. Unabhängige Schätzungen gehen von höchstens 50.000 Jobs aus und merken darüber hinaus an, die Abschaffung des zollfreien Einkaufs könne Jobs beim normalen, also steuerpflichtigen, Einzelhandel schaffen. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten drohte schon vor der gestrigen Entscheidung der Kommission mit „machtvollen Mitgliederdemonstrationen in Brüssel“. Es wird nichts nützen. Ein Europa ohne Grenzen kommt – und auch ohne Duty-free.
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