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Schießerei & more

Park Chan-Wook zeigt im Krimi „Joint Security Area“, wie sich nord- und südkoreanische Grenzsoldaten anfreunden

Stellen Sie sich vor, in den Zeiten des schlimmsten Kalten Kriegs, sagen wir in den frühen 60er Jahren, macht ein bundesdeutscher Regisseur einen Film über einen tödlichen Zwischenfall an einer Grenzstation zwischen BRD und DDR, in dem peinlichst jede politische Schuldzuweisung vermieden wird, und die kommunistischen Grenzsoldaten sogar sympathischer gezeichnet werden als ihre westlichen Kollegen.

Dazu kommt noch, dass dieser Film handwerklich perfektes Unterhaltungskino bietet, und zum größten Kassenerfolg des Landes wird. Das ist damals in Deutschland leider so nicht passiert. Aber vor zwei Jahren in Südkorea: Mit „Joint Security Area“ von Park Chan-Wook.

Die „Joint Security Area“ ist die „Gemeinsame Sicherheitszone“ zwischen zwischen Nord- und Südkorea. Als einzige Grenzstation gehört dazu das Dorf Panmumjom, und dort wird auch heute noch der Gegensatz zwischen den beiden Gesellschaftssystemen auf eine absurde Spitze getrieben. Park Chan-Wook nutzte eine Phase der Annäherung beider Staaten, die so genannte „Sonnenscheinpolitik“, um diesen Film zu drehen. Darin erzählt er von einem Grenzkonflikt, bei dem zwei nordkoreanische Soldaten erschossen werden und ein südkoreanischer Soldat schwer verletzt am Grenzstreifen gefunden wird. Da dies leicht eine größere militärische Auseinandersetzung nach sich ziehen könnte, führt eine Schweizer Soldatin koreanischer Abstammung, Sophie Jean, (eine westliche Identifikationsfigur hätte das koranische Publikum wohl nicht geschluckt) die Untersuchung.

„Joint Security Area“ ist in langen Passagen ein traditionell gebauter Krimi, bei dem das Publikum ständig mitraten muss. Und weil dieser Spannungsbogen so geschickt gespannt ist, kann Park Chan-Wook es sich erlauben, in einer großen Rückblende im Zentrum des Films sehr subtil und geduldig vom Wachdienst der Soldaten an der Grenze zu berichten.

So erfährt man, dass diese längst nicht so undurchlässig ist, wie offiziell auf beiden Seiten behauptet wird. Weil die Wachhabenden nicht nur Funktionsträger, sondern auch Menschen sind, die sich nachts langweilen, sich mal nachts über die Grenze verirren und spontan eher freundlich als kriegerisch sind, entwickeln sich Freundschaften zwischen den Männern aus Süd- und Nordkorea. Sie spielen nachts zusammen Karten, tauschen Fotos aus, die Südkoreaner bringen Musik und Schokoladenkuchen ins feindliche Ausland.

Der Film zeigt so etwas wie eine utopische Idylle im Niemandsland zwischen den politischen Lagern. Die Geschichte wird immer verwickelter, und nachdem Sophie Jean herausfindet, was wirklich geschah, stellt sich für sie die Frage, wem damit gedient wäre, wenn sie die tragische Wahrheit in ihrem Abschlussbericht enthüllen würde.Man darf hier nicht zu viel nacherzählen, den „Joint Security Area“ ist einer der Filme, die mit jeder Szene neu überraschen wollen. Beste Hollywood-Tradition also, und es ist schon verblüffend, wie westlich und hochprofessionell der Film gemacht ist. Es gibt wohl kaum einen deutschen Thriller, der so perfekt das Bedürfnis des Publikums nach Unterhaltung bedient.

Drehbuch, Kameraführung, Ausstattung, Schnitt: Alles ist makellos, aber dann doch wieder nicht zu synthetisch. Wohl auch, weil die Entertainment-Maschine nicht leer läuft und Park Chan-Wook durchaus ein paar Botschaften einschmuggelte. So anwortet er auf die Frage, warum bei ihm die Nordkoreaner so sympathisch sind: „Sie werden im Süden generell als Monster und Dämonen gesehen und müssen deshalb einfach positiver dargestellt werden.“

Wilfried Hippen

Heute und von Sonntag bis Dienstag jeweils um 18 Uhr sowie am Freitag um 20.30 Uhr im Kino 46

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