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Schicksalsvotum für Frankreichs PremierPer „Holzhammer“ zum Haushalt

Um den Etat durchzubringen, will François Bayrou Verfassungsartikel 49.3 anwenden. Doch ein erfolgreiches Misstrauensvotum könnte ihn das Amt kosten.

Der französische Premierminister François Bayrou will drastisch sparen Foto: Gonzalo Fuentes/reuters

Paris taz | Von einer „Schicksalswoche voller Gefahren“ für die Regierung und für Frankreich sprechen französische Medien seit Tagen. Um seinen Entwurf für den Staatshaushalt für das laufende Jahre durchzusetzen, geht Premierminister François Bayrou im Parlament maximale Risiken ein.

Obwohl er den Oppositionsfraktionen von links und ganz rechts einige Konzessionen angeboten hatte, hätte er bei einer Abstimmung über seine Finanzpolitik in der Nationalversammlung nicht von einer ausreichenden Mehrheit von Abgeordneten ausgehen können.

Frankreich befindet sich in einer Schuldenkrise und Bayrous Vorlage sieht zum Teil drastische Einsparungen von 30 Milliarden Euro bei staatlichen Ausgaben und zusätzliche Einnahmen aus Steuern und anderen Abgaben in Höhe von 20 Milliarden Euro vor. So könnte seiner Rechnung zufolge Frankreichs Defizit in diesem Jahr von 6 auf 5,4 Prozent BIP-Anteil gesenkt werden. Die linke Opposition und das rechtspopulistische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen sind mit dieser Verteilung nicht einverstanden.

Premier Bayrou greift zum Holzhammer in Form von Artikel 49.3 der Verfassung

Für Bayrou aber muss endlich ein „Budget“ her, selbst wenn er dafür seinen Posten riskiert. Denn die Staatsverwaltung braucht unbedingt eine klare Vorgabe für die Ausgaben und Einnahmen. Bayrou greift zur „Holzhammermethode“ des Verfassungsartikels 49.3.

Legale Prozedur

Diese nicht sehr demokratische, aber legale, Prozedur erlaubt es der Regierung, eine Vorlage ohne Debatte über Änderungsanträge und ohne Votum für verabschiedet zu erklären. Die Opposition kann dies aber noch verhindern, wenn sie eine von ihr beantragte Vertrauensabstimmung gegen die Regierung gewinnt. Und genau das ist die Absicht der linken Partei La France insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon.

Nachdem Bayrou den beiden Parlamentskammern am Montag mitgeteilt hat, er verwende für den Staatshaushalt und auch für die Rechnung der Sozialversicherungen die Abkürzung des Artikels 49.3, reichte LFI dagegen zwei Misstrauensanträge ein. Am Mittwoch soll also womöglich sogar bei zwei Vertrauensabstimmungen über das Schicksal von Bayrous Kabinett entschieden werden.

Nach nur zwei Monaten könnte Bayrou seinen Posten verlieren. Dazu wären mindestens 289 der 577 Abgeordneten für den Misstrauensantrag erforderlich. Da mit LFI auch die Kommunisten und die Grünen, wohl aber auch die Rechtspopulisten aus Protest Bayrous Mandat beenden wollen, kann dieser nur noch hoffen, dass die meisten der 66 Abgeordneten der Parti Socialiste (PS) sich enthalten und ihn erneut retten.

Nicht nur Bayrou, sondern auch diverse Persönlichkeiten aus den Reihen der Sozialisten, namentlich Ex-Premierminister Lionel Jospin hatten in einem Appell am Samstag die PS-Abgeordneten an ihre „Verantwortung“ gemahnt: Wenn man einerseits den Staatshaushalt und die Regierungspolitik kritisieren müsse, wäre es im Allgemeininteresse verantwortungslos, schon wieder die Regierung zu stürzen – auch wenn die Lust dazu groß und Gelegenheit günstig sei.

Neuwahlen frühestens im Juli

Die Parteispitze der Sozialisten hat am Montag beschlossen, den linken Misstrauensantrag gegen die Regierung nicht zu unterstützen. Auch die Rechtspopulisten wollten sich an diesem Tag offiziell festlegen. Was indes nicht heißt, dass sich am Mittwoch beim Votum alle Abgeordneten an den Parteibeschluss halten.

Wenn beim Misstrauensvotum zu den Abgeordneten von LFI, alle Grünen, Kommunisten und Rechtspopulisten auch mindestens 21 sozialistische Stimmen hinzukommen, müsste die Regierung zurücktreten. Neuwahlen wären laut Verfassung erst ab Juli möglich. Präsident Emmanuel Macron schließt seinen vorzeitigen Rücktritt aus.

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