: Schickes Drama in pastelliger Hölle
■ In Blackout käut Regisseur Abel Ferrara seine katholischen Schuldgefühle so lange wieder, bis aus Mördern Märtyrer werden
Ein Aufatmen geht durch das vollbesetzte Kino beim Münchner Filmfest –97: Sie kommt! „Yeah!“, juchzen einige Zuschauer. Claudia Schiffer hat ihren Auftritt. Leider nur im knöchelumspielenden Omakleid. Und zu spät, um dem Film noch etwas Gutes zu tun. Was nicht bedeutet, daß Frau Schiffer eine begnadete Leinwandpräsenz besäße. Vorab hieß es, daß Abel Ferrara seine liebe Not mit dem Model gehabt habe, das partout nicht das rechte Temperament für dieses Männerdrama habe aufbringen können. Was Wunder. Dennoch ist sie eine willkommene Abwechslung in dieser zähen Jammerstory, deren Bundesstart mehrmals verschoben wurde.
Bei Ferrara ist es wie mit Oliver Stone und dem Vietnamkrieg: Seine katholische Erziehung hat ihn mit Schuldgefühlen versorgt, die er unablässig auf der Leinwand wiederkäut. Oder kokettiert er nur mit seinen Obsessionen? Ganz augenscheinlich gibt es autobiographische Bezüge zur Hauptfigur von Blackout, einem Schauspieler, der tief im Sündenpfuhl watet.
Der Film beginnt mit Dreharbeiten in Miami. Hauptdarsteller Matty (Matthew Modine) lebt wild und gefährlich. Drogen, Frauen, das kennt man ja zur Genüge aus jenen bunten Blättern, auf die man sich im Wartezimmer beim Zahnarzt stürzt. Wie Nachtmahre beim Hexensabbat auf dem Blocksberg tanzen barbusige Weibsen um ihn und seinen abgebrühten Regisseur (Dennis Hopper). Der smarte Star ist ein drogensüchtiges Wrack, das unter gleißender Sonne von Koks zum Suff u nd wieder zurück taumelt. Als ihm seine Freundin Annie (Béatrice Dralle) gesteht, daß sie das gemeinsame Kind aus Sorge um die Zukunft abgetrieben habe, flippt Matty aus. Ein Jahr später: Annie ist verschwun den. Matty clean und liiert mit einer properen neuen Partnerin (Claudia Schiffer), die auf ihn aufpaßt. Doch aus seinem Unterbewußtsein drängt etwas unwiderstehlich ans Licht: Was geschah in jener Nacht nach Annies Geständnis?
Wäre die Inszenierung nicht so entsetzlich selbstgefällig und platt symbolhaft, so gewänne man diesem psychologischen Drama mit Thrillerattitüde durchaus spannende Momente ab. Die diffusen Bilder und Alpträume aus Mattys Erinnerung fluten über die Ufer des chronologischen Erzählflusses und ziehen einen in ihren Sog. Eine hell ausgeleuchtete, pool-blaue und puderpastellige Hölle ist dieses Miami, das von dem zugedröhnten Matty nur in verzerrten Ausschnitten wahrgenommen wird. Und doch gelingt es Abel Ferrara kaum, über das schicke Verderbt-sein und die Vogue-Hochglanzästhetik hinaus ein existentielles Verlorensein glaubhaft zu machen. Wie Karikaturen kommen der zynische Regisseur, die dralle Dalle und Schmerzensmann Matty daher: Und der Gebrauch von Betäubungsmitteln dient, in altbekannter männlicher Rechtfertigungsrhetorik, als Freibrief und mildernder Umstand für böse Taten.
Spätestens, wenn bei einem sich avantgardistisch gebenden Filmemacher ein Mörder larmoyant zum Märtyrer stilisiert wird, hört der Spaß auf. Birgit Roschy
Neues Broadway, Studio
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