Scheitern von Manchester United: Peinigende Risikoarmut
Das frühe Scheitern in der Champions League ist für United eine Demütigung, doch deren Trainer José Mourinho demonstriert Gelassenheit.
Das Ergebnis ist schon schlimm genug für die Fans von Manchester United, doch mindestens genauso verstörend dürfte aus ihrer Sicht der Umgang von Trainer José Mourinho mit dem Aus im Achtelfinale der Champions League durch das 1:2 gegen den FC Sevilla sein. „So ist Fußball. Es ist nicht das Ende der Welt“, sagte er im Anschluss an die Partie im heimischen Old Trafford.
Natürlich hatte er recht, auch am Morgen nach dem Spiel ging die Sonne wieder auf, das Leben ging weiter. Doch für einen Verein wie United, dem umsatzstärksten Klub der Welt mit einer stolzen Titelsammlung, ist das Scheitern gegen den Tabellenfünften der spanischen Liga eine Demütigung. Zumal es vollkommen verdient war. Schon beim 0:0 im Hinspiel war Sevilla die klar bessere Mannschaft gewesen.
Mourinho dokumentierte in der Stunde der Niederlage auf beeindruckende Art seine Selbstgerechtigkeit. Anstatt nach eigenen Fehlern zu suchen, wies er auf seine Erfolge in der Vergangenheit hin, als Gegner seines aktuellen Arbeitgebers. „Ich saß schon zwei Mal auf diesem Stuhl und habe United aus der Champions League geworfen, einmal mit Porto und einmal mit Real Madrid. Es ist für den Klub nichts Neues“, sagte er. Er sieht sich auch weiterhin als Gewinner.
Seiner Meinung nach muss er sich keine Vorwürfe wegen des Ausscheidens machen, weder für die seltsam vorsichtige Taktik in einem Spiel, das United auf jeden Fall gewinnen musste, noch für die wirkungslose Maßnahme, im defensiven Mittelfeld Marouane Fellaini anstelle des zuletzt starken Nachwuchsprofis Scott McTominay aufzustellen. „Ich bereue nichts. Ich habe mein Bestes gegeben, die Spieler haben ihr Bestes gegeben“, sagte Mourinho. Wenn das stimmt, ist das ein alarmierendes Signal für den Klub.
Der Ernst der Lage verkannt
United hatte gegen Sevilla zu keiner Zeit die Kontrolle, machte nicht den Eindruck, den Ernst der Lage erkannt zu haben. Die Abwehr war anfällig, die Offensive spielte wie mit Beinen aus Beton. Als United endlich aufwachte, war es zu spät. Romelu Lukakus Anschlusstreffer in der 84. Minute nach dem Doppelschlag von Sevillas Joker Wissam Ben Yedder in der 74. und 78. Minute bewirkte nichts mehr.
Das Aus im Achtelfinale stellt alles infrage, wofür Mourinho bei United steht. Bislang war Mourinho auf einem guten Weg. Er führte den Verein in der vergangenen Saison, seiner ersten im Amt, zum Sieg im Ligapokal und in der Europa League. In der laufenden Spielzeit hat United gute Chancen auf die Vizemeisterschaft hinter dem Stadtrivalen Manchester City, das wäre die beste Platzierung seit Fergusons Abschied.
Der Preis für diesen Aufschwung ist jedoch der Verzicht auf Spielkultur. Mourinho setzt auf defensiven, risikoarmen und oft unansehnlichen Ergebnisfußball. Wenn jetzt nun aber die Ergebnisse nicht mehr stimmen, steht auch Mourinho zur Disposition. Den einstigen Status der Unantastbarkeit hat er längst verloren.
Trainer José Mourinho
Das frühe Scheitern wird auch die Debatten über einige Spieler verschärfen. Paul Pogba, bei seiner Ankunft im Sommer 2016 der teuerste Fußballer der Welt, saß nur auf der Bank, wie zuletzt öfter. Auch nach seiner Einwechselung konnte er nichts bewirken. Alexis Sanchez, im Januar mit großem Getöse vom FC Arsenal gekommen, blieb wieder blass.
Mourinho wies nach der Niederlage darauf hin, dass die Trauer schnell überwunden werden müsse. „Wir haben keine Zeit für Dramen. Wir müssen weiterarbeiten“, sagte er mit Blick auf das Viertelfinale des FA-Cups am Samstag gegen Aufsteiger Brighton im Old Trafford. Zumal sich die nächste Peinigung schon andeutet. Anfang April könnte sich Manchester City, wegen jahrzehntelanger Erfolglosigkeit von Uniteds Fans verspottet, im eigenen Stadion vorzeitig zum Meister krönen. Im Derby gegen Mourinhos Mannschaft.
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