hamburger szene : Scheiden tut weh
Hamburg kann also doch Winter. Mein Auto ist völlig eingeschneit. Und als ich einmal rundherum den Schnee abgefegt habe, taucht darunter eine dicke Eisschicht auf, mit Eisblumen und allem, was dazu gehört. Geduldig mache ich mich ans Kratzen und denke: Gut so, vielleicht ist mit dem Klimawandel doch nicht alles so schlimm.
In meinem Rücken spüre ich diesen dicken Mercedes-Kombi, ahne, dass der Fahrer auf meine Parklücke direkt hinter dem Landgericht spekuliert. Aber er sagt nichts. Bis ich am vorletzten Fenster angekommen bin. Da steigt er doch noch aus und blafft herüber: „Sach ma’, geht dir einer ab beim Eiskratzen?“ Ich antworte, er könne mir gern helfen, wenn es ihm zu lange dauere. Aber er geht gar nicht auf meinen Vorschlag ein. „Ich hab’ inner halben Stunde ’nen Scheidungstermin“, motzt er und schüttelt dabei seine Mähne.
Ich denke: Kein Wunder. Von dir würde ich mich auch scheiden lassen. Was ich sage, ist noch ein bisschen weniger höflich. Er lässt sich wieder in seinen Ledersitz fallen und dreht wahrscheinlich die Standheizung etwas höher.
Eine Spur akribischer als nötig kratze ich die letzte Scheibe frei und stelle mir dabei das Gesicht dieses minder kommunikationsbegabten Mitbürgers vor, wenn ich jetzt das Auto abschlösse und sagte: „Ich hab’s mir anders überlegt. Ich fahr mit dem Rad.“ Schon die Vorstellung genügt.JAN KAHLCKE