■ Scheibengericht: Roots-Festival Haiti
Bouyon Rasin (Tropical)
Der 28. Juli 1995 war ein denkwürdiges Datum für Port-au- Prince, denn an diesem Tag begann das erste und bisher einzige Roots-Festival Haitis. Für viele der Musiker war es die erste Auftrittsmöglichkeit seit langer Zeit, für manche bedeutete es die Rückkehr aus dem Exil – allen voran die 72jährige, in den Fünfzigern auf die Nachbarinsel Kuba emigrierte Meringue-Sängerin Martha Jean- Claude. Ein Jahr nach Embargo, US-Invasion und Rückkehr des gewählten Präsidenten Aristide stieg im Hinterhof der USA eine Riesenparty, zu deren Höhepunkten Soli-Auftritte der kubanischen Salsa-Queen Celia Cruz und des Fugees-Kopfs (und Exil-Haitianers) Wyclef Jean gehörten.
„Bouyon Rasin“ – was soviel wie „Roots-Suppe“ heißt – war kein gewöhnliches Festival. Die „Mizik Rasin“ Haitis, die in den Achtzigern enorm an Popularität gewann, basiert auf der Voodoo- Tradition – ein mit dem afrobrasilianischen Candomblé und dem afrokubanischen Santeriakult verwandter Volksglaube, der noch immer das religiöse Leben der nominell katholischen Insel bestimmt. Unter den Duvalier-Diktaturen von „Papa“ und „Baby“ Doc waren Voodoo-Riten verboten. Staatliche Verfolgung drängte sie in den Untergrund, womit sie für Polit-Aktivisten wie Foula, die bei Rebellen in den Bergen untertauchten, zum Medium politischen Protests avancierten. Heute pendeln international gefragte Bands wie Foula und Boukman Eksperyans zwischen Haiti und New York, wo sich eher das Geld zum Leben verdienen läßt.
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