piwik no script img

Schaulaufen in DüsseldorfEin Herz für diese Stadt

Am Dienstag beginnt der 56. Eurovision Song Contest in Düsseldorf. Warum ausgerechnet dort? Und warum ist schon diese Frage gehässig?

Frischer Glanz für Düsseldorf? Lena wird Deutschland vertreten. Bild: dapd

Lässt sich eine Stadt tapezieren? Ja. Nein. Ich weiß nicht. Okay, Düsseldorf hat es probiert. Kein öffentlicher Fleck, auf dem sich nicht ein Hinweis darauf findet, was in einer Woche los sein wird in der nordrhein-westfälischen Kapitale: Am 14. Mai findet in der Arena des Messegeländes der 56. Eurovision Song Contest, der ESC, statt. Seien es Straßenbahnen, Treppengeländer, Mülleimer, das Rathaus - überall prangt das Logo dieses TV-Ereignisses des Jahres. Das Motto, sagt Bürgermeister Dirk Elbers, sei sehr nach dem Herzen seiner Stadt: "Feel your heart beat!"

Elbers ist ein jovialer Mann, Typ Honoratior ohne kommunikative Giftigkeit, leutselig wie ein Provinzial, der einem Orden vorsteht - und dieser heißt "Düsseldorf". Man sei - und es gibt niemanden, der ebendies nicht beteuert - stolz darauf, eine schuldenfreie Stadt zu sein, zugleich nicht so groß wie Berlin. "Überschaubar und menschlich", wie die Promotorin des ESC im Auftrage Düsseldorfs, Alexandra Iwan, heftig unterstreicht. "Ich komme ja aus Hamburg und lebe hier seit zwanzig Jahren. Es ist gut hier, wirklich."

Düsseldorf, ließe sich sagen, hatte im vorigen Jahr keine Chance - aber man nutzte sie. Kaum hatte Lena Meyer-Landrut gewonnen, fing der Stab hinter Bürgermeister Elbers an zu grübeln. Der Vorsteher selbst sagt: "Wir feierten japanisches Kirschblütenfest - als mir einer ins Ohr flüsterte: Düsseldorf kann sich doch um den Eurovision Song Contest bewerben." Aber er und die BürgerInnen wissen natürlich: Die Kirche muss man im Dorf lassen. Was könnte schon diese Landeshauptstadt gegen Berlin oder Hamburg, wo der für den ESC verantwortliche NDR sitzt, und Hannover ausrichten? Nichts. Oder doch etwas?

Düsseldorf schickte sein Konzept zum NDR - und gewann schließlich. Man hatte wirklich alle Trümpfe in der Hand: eine mächtige Arena, ein prima Messegelände, Nähe zum Flughafen, eine mobilisierungsfähige Bürgerschaft sowie Nachbarschaft zu den Niederlanden und Belgien, aus denen womöglich Fans kommen würden zu den ESC-Veranstaltungen. Seit Oktober, alles in allem, widmet sich Düsseldorf nun seiner Aufgabe: Millionen Euro hat der Bürgermeister per Dekret lockergemacht, die linke Opposition im Rat hatte keine Chance. Jetzt kämpft man nur noch um den Rahm, den es von der Milchsuppe namens ESC abzusahnen gilt. Düsseldorf, so sagen es die Menschen im Rathaus, wird sich selbst nicht von Spiegel-Überschriften wie "Unser Dorf soll schöner werden" aus der Fassung bringen lassen.

Düsseldorf sucht sich zu behaupten. Wie gesagt: Alles läuft wie geschmiert, harmonisch und sauber. Was für einen glänzenden Eindruck kann man bekommen: Hier ist eine Stadt, die dem Menschen angemessen ist und musterhaft funktioniert. Alle Rolltreppen in den Straßenbahnschächten laufen, und zwar immer; kein Viertel wirkt auch nur flüchtig verschlampt; die Häuser reinlich; lässt man eine Zeitung in der U-Bahn liegen, wird man mit freundlicher Bestimmtheit darauf hingewiesen, dass die Sitze keine Mülleimer seien. Und in den Kneipen ist die Bedienung von ausgesuchtester Zuvorkommenheit. Nur Bier darf man nicht ordern, weil man es für jenes Umwandlungsprodukt des ortsüblichen Alt hält, das auf dem Abort ausgeschieden wird.

Düsseldorf, mit anderen Worten, hat wohl republikweit die höchste Dichte an Porsches und Escadafummeln, die fetteste Durchmischung mit akkurat gekleideten Leuten. Selbst die Handwerker, fantasiert man, tragen Krawatte im Dienst. Die Krönung all dessen ist das Bahnhofsviertel. In sämtlichen Städten ist dieses Viertel quasi eine Blaupause fürs Schmuddlige - nur in Düsseldorf mutet selbst das Marokkanerviertel an wie ein mit Wattestäbchen bis in die Ecken hinein gepflegtes Quartier.

Bild: taz

Diesen und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 7. Mai und 8. Mai 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Der Autor

JAN FEDDERSEN ist taz-Redakteur. Er verfolgt den Grand Prix seit seiner Kindheit und hat mehrere Bücher über ihn geschrieben. Er bloggt und arbeitet auch frei für den Grand-Prix-Sender NDR. http://eurovision.blog.ndr.de

Solche Beobachtungen aber leben von boshaftem Einverständnis mit dem Publikum: Mensch, so viel Übertreibung kann doch niemand ertragen! In Wahrheit ist Düsseldorf die kongeniale Entsprechung zum Eurovision Song Contest. Ein Festival, das weder Punk sein kann noch klassische Sinfonie - sondern irgendwas dazwischen, das sich wie Pop buchstabiert. Düsseldorf ist, so gesehen, weder Berlins Neukölln noch eine Kurstadt wie Baden-Baden. Ein konservativer Ort, der damit hadert, dass das proletarische Köln sich über ihn lustig macht. "Dort poppt man nur parfümiert", lästert man über das Düsseldorf des Luxus und der Geschniegeltheit. In Köln ist Ford, sind schmutzige Schrauberhände - in der Landeshauptstadt weiß man dafür einen Waschmittelkonzern zu Hause, der auf die Sauberkeit des urbanen Anwesens insofern Einfluss zu nehmen scheint, als sich eben alles eine Spur zu steril ausnimmt. Und das auch noch porentief! Würde irgendeiner plötzlich wie am Filmset die Klappe schlagen für eine Szene, könnte sich Düsseldorf als ideale Kulisse für eine deutsche Version der "Truman Show" herausstellen: als Ort ohne jene Unruhe, die den meisten Städten eigen ist und unschöne Hysterie gebiert.

Doch darf man so mäkeln? Ist das statthaft, wo sich die ganze Bevölkerung engagiert? Über dreihundert Vorschläge aus "allen Communitys der Stadt", sagt die Trommlerin für Düsseldorf, Alexandra Iwan, seien gemacht worden, neunzig von ihnen werden nun verwirklicht. Ein Ehepaar organisiert mit seinen Oldiekarossen VIP-Shuttle-Touren. Am Samstag des Finales zeigt man sich rund um die Königstraße, die Kö, mit einem Brauchtumsumzug traditionell: Düsseldorf will unbedingt beweisen, dass es kein Chichi ist, kein oberflächenpoliertes Ding, das unter Putzwahn leidet - sondern Kultur hat und Geschichte.

Das wiederum freut alle ausländischen Gäste. Man hört es im Pressezentrum des ESC dauernd: Düsseldorf, sagt ein britischer Journalist, ist viel schöner als Köln und die schönste Stadt, in der der Grand Prix Eurovision jemals war. Mehr wollten Dirk Elbers und die Seinen ja nicht: Den Vergleich mit Köln gewinnen ist wichtiger als alle Siegeshoffnung, die ein jedes der 43 Teilnehmerländer des Festivals überhaupt hegen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • MW
    Markus Wieland

    Selbst in einer satrisch gemeinten Glosse ist zuviel Einseitigkeit irgendwann nicht mehr komisch.

    Oder aber ist der Autor - wie ich vermute - doch heimlicher Lena-Fan, der es einfach nicht ertragen kann, dass die kleine Großstadt, die nach einem kleinen Bach benannt wurde, für ein paar Wochen zum Tempel des raabiaten Musikspektakels wurde? Dann sei ihm mein Mitleid hiermit ausgesprochen. Ich bin schon auf den Kommentar gespannt, sollte Fortuna Düsseldorf in die erste Bundesliga aufsteigen und Hertha BSC ... nein, das darf nicht sein. Aber jetzt vermische ich die Sparten, Fussball ist schließlich eine Religion.

  • CJ
    Chris J.

    Lol, muss man als Redakteur, wenn man einen Artikel schreibt, sich nicht ein wenig informieren.

    Na ja für einen Schmunzler war er ja gut, aber ansonsten, woher kommen die persönlichen Emotionen, welche ich in dem Artikel des Öfteren zu lesen bekomme. Ist es Neid, wenn ja worauf?

    Vielleicht in Zukunft ein wenig sachlicher sein, und ich finde es nicht schlecht, wenn eine Stadt, welche an einem Tag viele Besucher aus vielen Nationen beherbergt sich ein wenig Mühe gibt, um nicht als letztes Loch dazustehen. Würde Köln auch machen, aber ihrer Meinung nach hat dies wohl keine andere Stadt nötig. Jedoch finde ich diesen Artikel sehr komisch, zum einen meiner persönlichen Meinung nach, hat man sich schlecht informiert und es kommt immer wieder der Eindruck zu Vorschein, als ob der Verfasser hier leider keinen neutralen Artikel verfassen konnte, ich hoffe für Ihn, dass ihm das in Zukunft besser gelingt. (, ;

    Als Exildüsseldorfer bedanke ich mich trotzdem für diese netten Zeilen, es gibt ja nicht allzu viel in der Welt, was mir ein derartig nettes lächeln auf die Lippen zaubert, auch wenn ich es immer noch nicht verstehen kann wie man so etwas auf einer Homepage einer Tageszeitung schreiben kann, so was gehört für mich in ein Forum, wo man sein persönliches Empfinden Kund tun kann. Vielleicht nehmen Sie sich den Tipp ja zu Herzen.

     

    Schöne Grüße aus der Nähe von Düsseldorf und vielen Dank für den überaus komischen Artikel.

  • D
    Düssi

    Es ist in der Tat äußerst lustig, wie auf einmal fast jede Zeitung meint, die gleichen alten Geschichten über Düsseldorf zu schreiben und die bestehenden Vorurteile wiederholt. Einzig die Reihenfolge ist beliebig.

     

    Neid muss man sich halt auch hart erarbeiten....

     

    Mich kümmert es nicht weiter. Ich bin gerne Düsseldorfer und kann den Neid von Hamburgern, Berlinern oder auch Kölnern voll und ganz verstehen.

     

    Nein Düsseldorfer sind nicht arrogant - sie sind nur besser! :-)

  • ES
    Elti Smäsch

    ...und erst recht die ganze Welt

  • MP
    Martina Päkel

    Was für eine lasche Läster-Etüde! Ganz sicher hat der Autor noch nie einen Schlappen auf Düsseldorfs Pflaster gesetzt. Seinen Milieubeschreibungen kann nur eine oberflächliche virtuelle Recherche zugrunde liegen - aber so oberflächlich ist Düsseldorf beim wirklichen Hinsehen nun mal überhaupt nicht. Selbst den Namen der vielzitierten Shoppingmeile kriegt der Herr nicht korrekt auf die Kette... Was natürlich keine Rolle spielt, wenn man sich mit plakativem Klischee-Geseier begnügt. Der alte Köln-Düsseldorf Konflikt ist kalt wie Kaffee und schal wie eine abgestandene Bionade. Wer geilt denn daran bitte noch rum?

  • T
    Tom

    Ein Artikel, der wieder einmal perfekt das Klischee bedient. Ein bisschen über Altbier ablästern, ein bisschen Köln-Düsseldorf-Rivalität, Porsche und Schickeria. Scheinbar ist es das was die Leute lesen wollen. Ich frage mich allerdings, ob der Autor neben Pressezentrum und Hotel überhaupt einen Fuß in die Stadt gesetzt hat. Ich finde den Bahnhof und das darin anschließende Marokkanerviertel absolut nicht schicker als die entsprechenden Viertel in Köln, Hamburg oder Frankfurt. Im Gegenteil. Porschefahrer und schicke Geschäfte gibt es auch in HH am Junfernstieg oder in B am Kuhdamm. Und welcher Witzbold hat dem Autor aufgeschrieben, die Kö seie die Königstraße?

  • N
    nic

    Ist das ernst gemeint?

    Ein mit dem Wattestäbchen bis in die Ecken gepflegtes Quartier??? Ich wohne (meist gerne) in diesem Viertel und es ist versifft, vermüllt und sehr viel ungepflegter als die Klischees, die Herr Feddersen über Düsseldorf verbreitet.

     

    Herr Feddersen, kommen Sie gerne vorbei, wenn Sie Düsseldorfs Dreckecken sehen wollen.

     

    Außerdem würde ich mich als Zugezogene echt freuen, wenn dieses öde Düsseldorf-Köln-Thema nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufgetischt werden würde, das nervt einfach nur!

  • P
    Philip

    Und das Lehrerlineal klatscht auf die Finger des allzu eifrigen Laesterers: Wer so viel ueber Duesseldorf zu erzaehlen hat, sollte auch den Namen seiner Prachtmeile kennen. Ein Blick in Googlemaps enthuellt: die Koe steht fuer Koenigsallee. Ansonsten gut beschrieben, ich frage mich nur welcher Zufall im Spiel war, dass der Autor einem zuvorkommendem Kellner begegnet ist. War wohl ein Migrant aus Koeln ...

  • E
    Ex-Düsseldorferin

    Was fürn Schmarrn, als ich als Norddeutsche nach Düsseldorf gezogen bin, kam es mir vom Schmuddel- und Proll-Status teilweise wie im Ruhrgebiet vor.

    Düsseldorf ist nur im Vergleich mit Duisburg oder Bochum adrett.

  • C
    Christian

    Tatsächlich hat Düsseldorf mehr zu bieten als die Schickeria und Shoppen auf der Königsallee.

    Doch wie in den meisten Dingen geht es den Stadtoberen hier nur um eins: Standortsicherung! Der ESC ist knallharte Kalkulation und wird gegen den Wert einer Imagekampagne aufgerechnet. Denn wir brauchen mehr Geld, um in den nächsten Jahren noch mehr Luxuswohnungen zu bauen und die Armen aus der Stadt zu treiben. Das ist leider traurige Realität in der (noch) wirklich schönen und lebenswerten Landeshauptstadt.

  • J
    joka

    Ja, da werden die Berliner neidisch! Gepflegt, sauber, Mädels, Altbier und Flönz, was will man mehr. Schade, dass der Grand Prix d'Eurovision das stören muss.

  • HD
    Hans Dampf

    Und was hat das alles bitte mit Alt-Bier und Köln zu tun? Recht schön geschrieben, aber diese beknackten Geschichten könnt ihr euch echt schenken.

    Meine Meinung.

    Danke

    Hans

  • E
    Eric

    Anscheinend kennt der Autor dieses Artikels Düsseldorf nur vom Hörensagen, denn in unserer Stadt ist auch nicht alles Gold was glänzt.

    Schade. Ich dachte in der taz würde einem ein objektives Bild der Dinge vermittelt werden.

  • Q
    Querulant

    Schon wieder Grandprix? Hört das denn nie auf???

  • S
    Sepp

    Hehe, als Kölner kann ich nur sagen, dass man hier trotzdem auch weiterhin seinen Spaß mit dem Dorf an der Düssel hat. Über Köln da lacht die Sonne...