Schalke gegen Karlsruhe: Drehendes Spiel

Das Karlsruher Bescheidenheitskollektiv ist dem Vizemeister taktisch überlegen und gewinnt 2:0. Und hat ein bisschen Glück, dass Kuranyis Treffer nicht zählt.

Putzt Schalke und hat Spaß dabei: Traumstarter Karlsruher. Bild: dpa

GELSENKIRCHEN taz Am Samstagnachmittag gegen halb sechs dröhnte ungewöhnlich laute Musik durch die Keller der Gelsenkirchener Mehrzweckarena. Nichts damit zu tun hatten die Fußballer des FC Schalke, in deren Umkleideräumen es selbst nach Siegen in der Regel eher ruhig zugeht. Der Lärm kam aus der anderen Ecke, wo die Bundesligafrischlinge aus Karlsruhe gerade ihren unerwarteten 2:0-Erfolg beim Vizemeister feierten. "We will rock you", hämmerten Queen durch die Flure - und der Mann, der den Badenern den Stoff für ihre Ghettoblaster besorgt, war rasch ausfindig gemacht.

"Das habe ich den Jungs zusammengemischt", erklärte Rechtsverteidiger Andreas Görlitz, während um ihn herum schon das Ausflugsziel für den nächsten Tag besprochen wurde. Als Belohnung für ihren sportlichen Höhenflug bis hinauf auf Rang zwei durften die KSC-Kicker gestern nämlich gemeinsam zum Münchner Oktoberfest.

Chefcoach Becker hatte sich gegen die mit Vier-zu-Null-Siegen am Stück zuletzt so erfolgreichen Schalker erwartungsgemäß für eine defensive Variante entschieden: ein fünf Mann starkes Mittelfeld, davor Sebastian Freis als einziger Stürmer. Mal schauen, was so passiert, lautete die Vorgabe also. Daran hielten sich die KSC-Profis dann auch, zunächst allerdings nicht ganz im Sinne ihres Trainers. "Zu Beginn des Spiels waren wir von der Kulisse und von dem Stadion beeindruckt. Deshalb hatten wir nur wenige Aktionen, was das Zusammenspiel nach vorne betrifft", entschuldigte Becker das gemächliche Spiel seiner Mannschaft vor der Pause, dem sich die von diversen englischen Wochen erschöpften Hausherren gerne anpassten.

Viel aufregender wurde die Partie auch in der zweiten Halbzeit nicht. Mit drei Ausnahmen: Schiedsrichter Helmut Fleischer untersagte den Schalkern einen regulären Treffer durch Kevin Kuranyi wegen angeblicher Abseitsstellung (64.) - und Karlsruhe erzielte zwei blitzsaubere Kontertore durch Christian Timm (69., 83.). Vom zeitlichen Ablauf her für die Gäste eine überaus glückliche Fügung. Das sah wohl auch KSC-Coach Becker so, dessen diplomatische Umschreibung der Partie in der Feststellung gipfelte: "Nach der Pause hat sich das Spiel zu unseren Gunsten gedreht."

Diese Wendung lag an Referee Fleischer, am zweifachen Torschützen Timm, an dessen zweifachem Passgeber Tamas Hajnal - und an Schalke. Denn die Mannschaft spielte nicht nur schwach, sondern auch ungeschickt. "Ich erwarte, dass man in einer solchen Begegnung zumindest 0:0 spielt", nörgelte Manager Andreas Müller.

Den Vorwurf taktischer Unreife müssen sich die Aufsteiger nicht gefallen lassen. "Das Gute war, dass wir, auch als es ein wenig enger wurde, immer weiter Fußball gespielt haben", analysierte Christian Timm, der mit seinen ersten Saisontoren den besten Rundenstart eines Aufsteigers seit zehn Jahren fixierte. Vier von fünf Auswärtsspielen gewonnen, 18 Punkte aus neun Spielen geholt - für Edmund Becker ist das, was es ist: "ein Traumstart". Dennoch wird in Karlsruhe weiter Beckersche Bescheidenheitspolitik betrieben. "Wir spielen zusammen, wir gewinnen zusammen. Bei uns läuft jeder für den anderen", erklärte Innenverteidiger Maik Franz treuherzig - und Antreiber Hajnal versicherte: "Wir werden jetzt nicht anfangen zu spinnen." Oder höchstens ein kleines bisschen. "Das Schöne ist", beschrieb der 26-Jährige den Karlsruher SC im Frühherbst 2007, "dass wir uns wirklich weiterentwickeln." Im Detail: "Im Spiel nach vorne werden wir immer ballsicherer - und insgesamt immer souveräner." Das klingt dann nicht mehr ganz so bescheiden.

ANDREAS MORBACH

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