Schalke-Fans und ihre Wut über Neuer: "Mit dir, Manu, sind wir fertig"
Darf der das? Torhüter Manuel Neuer wird wohl zu Bayern München wechseln und der Jagdlaune von Uli Hoeneß erliegen. Das macht die Schalker Fans sauer. Zu Recht?
Arno Zurbrüggen wird "schlecht", wenn er an Manuel Neuer denkt. Alexander Chudzik schimpft: "Das ist wirklich eine Sauerei! Kaum winkt der Hoeneß mit dem Geldbündel, geht Neuer zum größten Feind." Arnd Hartleb nölt: "Mein Vater hat mal gesagt: ,Wer zu den Bayern geht, hat keinen Charakter.' Offensichtlich trifft das auch bei Neuer zu."
Die Fans von Schalke 04, die sogar unter ihrem Klarnamen auftreten, machen sich derzeit im Internet Luft. Auf Facebook haben sie Foren gegründet, nur zu dem Zweck, den Schalke-Keeper, der vermutlich bald zu den Bayern wechseln wird, ihre Meinung zu geigen. "Manuel Neuer gefällt uns nicht mehr", heißt eine dieser Bashing-Plattformen. Das Bild des Nationaltorhüters ist rot durchgestrichen. Das soll wohl heißen: Mit dir, Manu, sind wir fertig, ein für alle Mal!
Es gibt aber auch moderate Töne. Auf der Seite schalkefan.de versucht Matthias in der Weide zu differenzieren: "Manuel Neuer hatte die Wahl zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung. Er hat sich - völlig legitim - für die zweitgenannte Option entschieden. Er verhält sich wie ein ganz normaler Fußballprofi und möchte als solcher behandelt werden. Genauso sollten wir Fans es halten." Ein Anhänger namens "Jürgen" versucht, in der Weide beizupflichten, aber es will ihm nicht so recht gelingen: "Manu ist eben nicht der ganz normale Profi - sondern eben auf ewig Schalker!"
Der angekündigte Wechsel ist längst zu einem Politikum geworden. Alle Vorbehalte, Erwägungen und Anfeindungen kreisen um die zentrale Frage: Darf jemand, der mit vier Jahren schon Schalker geworden ist, der den Ultras von der "Buerschenschaft" nahestand, dem quasi königsblaues Blut durch die Adern pulst, der also durch und durch und mit Haut und Haar ein Schalker Kind ist, nach München gehen? Verleugnet er sich nicht, wenn er diesen Schritt tut? Konterkariert er nicht alles, wofür Manuel Neuer bisher stand? Und: Wie stark dürfen die Schalke-Fans ihr (ehemaliges) Idol vereinnahmen?
Hoeneß lockt, bezirzt, wirbt
Man könnte nun eine hochmoralische Wertedebatte führen über Heimatverbundenheit und Herzblut, aber das Fußballgeschäft findet gänzlich unromantische Antworten auf derlei Fragen. Manuel Neuer, der mutmaßlich beste Torhüter der Welt, ist etwa 20 Millionen Euro wert. Wer so einen Batzen Geld hat - und die Bayern haben ihn auf ihrem Festgeldkonto gebunkert -, der will so einen Spieler haben. Also setzt Uli Hoeneß, einmal in Jagdlaune, alle Hebel in Bewegung. Er lockt, bezirzt, wirbt - und irgendwann ist auch einem aufrechten Mann wie Neuer klar, dass er die besseren Perspektiven in der Elf von Bayern München hat.
Er könnte in München zum legitimen Nachfolger von Oliver Kahn heranreifen, vielleicht an einer Dekade bajuwarischer Dominanz mitwirken. Ist das alles nur berechnend? Ein bisschen vielleicht. Letztlich macht Neuer aber nur das, was in der Branche als stinknormal gilt. Profis wechseln, verdienen im Idealfall mehr, nehmen Karriereoptionen wahr. Der Fußball ist ein heißer Markt, der manchmal auch die Warenterminbörse in den Schatten stellt.
Jeder Profi ist den Mechanismen des Tauschs und des Handelns unterworfen, auch Neuer, von dem die Schalke-Fans nur allzu gern glauben wollten, er sei ganz anders. Man muss das Mäntelchen der Idealisierung abstreifen, um den Korpus des Ökonomischen im Fußball zu sehen. Den Fans ist der Anblick dieses Homo oeconomicus natürlich zuwider. Sie wollen einen Manuel Neuer, der nicht nur zwei Jahrzehnte seines Lebens einem Verein geopfert hat, sondern einen königsblauen Überfänger, der sein Leben S04, gleichsam ihnen, schenkt.
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