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Schaffner weisen Kinder aus ZügenAus der Bahn geworfen

Zum dritten Mal weisen Schaffner Kinder aus der Bahn. Jetzt drohen Konsequenzen - für die Mitarbeiter.

Dass kleine Mädchen mit Cellos fünf Kilometer durch die Dunkelheit nach Hause laufen müssen, wäre mit dem Schaffner des Polarexpress nicht passiert. Bild: dpa

Die Deutsche Bahn umreißt ihre Aufgabe mit: "Zukunft bewegen". Nicht wenige halten Kinder für die Zukunft. Drei Vertreter der Generation Zukunft mussten mittlerweile allerdings spüren: Ob dieser Slogan gilt, entscheidet Mann oder Frau in blauer Uniform gelegentlich spontan.

Eine Schaffnerin des beliebten deutschen Transportunternehmens hat ein Mädchen aus dem Zug gewiesen. Die 14-jährige Berlinerin, unterwegs zu ihrer Schule, hatte einen Fahrschein gelöst, der allerdings erst später gültig war. Die Schaffnerin entschied: Raus.

Es ist der dritte Vorfall dieser Art innerhalb von drei Wochen. In der vergangenen Woche musste eine 13-Jährige (ohne Ticket) in Brandenburg den Zug verlassen - 42 Kilometer von zu Hause entfernt. Das Mädchen hatte weder Geld noch Handy dabei, um die Gebühr fürs Schwarzfahren zu bezahlen und ihre Eltern anzurufen. Der Schaffner verweigerte ihr sein Diensthandy. Im Oktober zwang eine Zugbegleiterin in Mecklenburg-Vorpommern ein zwölfjähriges Mädchen, das ihr Portemonnaie und die Fahrkarte daheim vergessen hatte, auszusteigen. Auf das Angebot eines Mitreisenden, das Ticket für das Mädchen zu bezahlen, ging die Bahn-Angestellte nicht ein. Das Ende der Reise: Das Mädchen - auf dem Weg zur Musikschule - musste mit ihrem Cello fünf Kilometer durch die Dunkelheit nach Hause laufen.

Alle drei Zugbegleiter verstießen mit ihrem Verhalten gegen Regeln des Unternehmens: "Minderjährige dürfen unterwegs nicht der Bahn verwiesen werden - unter keinen Umständen. Das müssten eigentlich alle wissen", sagt ein Bahnsprecher gegenüber der taz. "Nach diesen Vorfällen wird dies in unseren Schulungen zukünftig auch noch einmal gesondert behandelt", erklärt er, und schiebt hinterher: "Jeder Zugbegleiter muss eine schriftliche Weisung unterschreiben, dass er diese Regel kennt, eine SMS haben alle schon erhalten." Das verweisende Trio habe disziplinarische Konsequenzen zu erwarten.

Eine Ansage, die Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, unterstützt: "Denn das sind nicht akzeptable Überreaktionen von überkorrekten Schaffnern. Mehr Augenmaß im Umgang mit Fahrgästen ist angebracht - vor allem mit Kindern", sagt er. "Selbst wenn man berücksichtigen muss, das die Schaffner unter großem Druck von oben stehen."

Auch Psychologe Michael Antes sieht die Bahn am Zug und fordert, in den drei Fällen einen Mediator einzuschalten. Sonst würden die Kinder nach einem solchen "Willkür-Erlebnis" psychische Schäden davontragen. "Die Angestellten müssen dringend im Krisenmanagement geschult werden. Sie haben keinen einfachen Job. Ständig müssen sie mit betrunkenen Fußballfans, aufmüpfigen Jugendgruppen oder Reisenden, die sich über kleinste Verspätungen aufregen, klarkommen", sagt Antes.

Über Gründe, warum sich die drei Zugbegleiter so verhalten hätten, könne nur gemutmaßt werden. Das könne von beruflicher Frustration über Machtmissbrauch auf Grund mangelnden Selbstbewusstseins bis hin zu privaten Problemen mit Jugendlichen reichen.

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8 Kommentare

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  • MK
    Michael Klein

    @Marianne Radler!

     

    Ein Kommentar, der symptomatisch ist für das immer noch weit verbreitete Obrigkeitsdenken in unsesrer Gesellschaft! Manche möchten ja am liebsten wieder einen starken Mann, der alles in die Hand nimmt! Ein völlig an den Haaren herbeigezogener Kommentar!

  • CD
    Christian Damm

    Lieber Herr Rettberg,

    die humoristische Art und Weise Ihrer bisherigen Artikel bekommt der taz sichtbar gut.

    Lg aus Owl

  • KE
    Kurt Eisenhauer

    DB-Fangprämie ist der richtige Begriff. Die Schaffner muessen wohl über Prämien ihr Gehalt aufbessern. Die DB drückt die Löhne, macht einen guten Schnitt im Nahverkehr durch die hoeheren Benzinpreise und setzt doch nicht mehr Zuege ein.

  • AS
    Andrea Schaeffer

    Natürlich muß es einen Unterschied geben zwischen Jugendlichen, Pubertät hin oder her, die mit Messern o.ä.bewaffnet Fahrgäste oder Zugpersonal bedrohen, und Jugendlichen, die ein Cello unterm Arm, vielleicht einmal ihre Fahrkarte(Monatskarte)vergessen haben - doch diese subtile Unterscheidungsfähigkeit kann man von dem Zugbegleiterpersonal vielleicht nicht erwarten, und vergessen haben diese Menschen in ihrem Leben wohl auch noch nie etwas!

    Wie würde sich denn einer dieser Schaffner/innnen

    jetzt fühlen, wenn dem Mädchen im Wald etwas passiert wäre? Muß es immer erst zu fatalen Folgen kommen, bis der Durchschnittsmensch sein eigenes Verhalten in Frage stellt, oder sich gar (berechtigte) Kritik gefallen lässt?

  • AI
    A.D. Ihle

    Super, Frau Radler, Bahnbegleiter als Nahkämpfer gegen eskalierende Gewalt von 12-16jährigen Kindern. Ich beobachte bei meinen täglichen Bahnfahrten auch immer Horden von bewaffneten, minderjährigen Cellospielerinnen, die die Fahrgäste angreifen und terrorisieren.

    Oh Gott, mich wundert bei der Bahn gar nichts mehr...

  • F
    f.tille

    Vielleicht liegt der Grund für dieses unerträgliche Verhalten auch in dem, was in einschlägigen Bahner-Foren berichtet wird: das nämlich die Schaffner anstatt der früher üblichen kleinen Provision für im Zug verkaufte Fahrkarten seit einiger Zeit eine "Fangprämie" für Aufspüren von Schwarzfahrern erhalten...

  • MR
    Marianne Radler

    Also mal ehrlich, so viel Unsinn auf einem Haufen kann ich gar nicht glauben.

    Jugendliche dürfen sehr wohl aus dem Zug verwiesen werden, wenn sie älter als 12 Jahre sind. Günstiger wäre, den Zug stehen zu lassen und den Jugendlichen von der Bundespolizei abholen zu lassen. Die Kosten dafür sind natürlich von den Eltern oder ab 14 Jahren vom Jugendlichen selbst zu tragen. ......und wir reden von 300,- Euro pro Minute.

     

    Wir haben im Unternehmen täglich Übergriffe von Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren, die mit Schusswaffen, Messern und Schlagstöcken unsere Reisenden und meine Kollegen attackieren. Von den verbalen Entgleisungen möchte ich gar nicht erst reden.

     

    Wenn die Verfasser der obigen Schreiben im Nahverkehr unterwegs wären und mit offenen Augen durchs Leben gingen, würden solche Aussagen nicht zu Papier gebracht.

    Grüße Marianne Radler

  • S
    Schulz

    Evtl. sind die Kinder/Jugendlichen in der Pubertaet und werden etwas im Alter ueberschaetzt von den Bahnkontrolleuren. Dennoch sollte Fahrkartenkontrolle niemals massregelnd, immer mit Achtung des Fahrgastes, auch bei Nichtvorhandensein eines Tickets erfolgen.

    Es ist doch laecherlich, die schlimmen DDR-Methoden zu bemaengeln und selber als BRD wesentlich haerter aufzutreten... was ich als menschenverachtend empfinde.

    Die Bahn faehrt auch leer. Wahrscheinlich jagen sie die Kinder nur aus dem Zug, um ihre eigenen Freunde zu vergessen und ein Erfolgserlebnis zu haben?

    Wenn es mal ihre eigenen Kinder waeren... wuerden sie auch anders handeln!

    Das ist doch der Massstab!