Schadstoffe in der Luft: Zu dicke Luft
Hamburgs Luft ist voller Schadstoffe und Hauptverursacher ist der Autoverkehr. So steht es in einem internen Bericht der Umweltbehörde. Von Abhilfe steht da nichts.
Hamburg kann die gesetzlich festgelegten Obergrenzen für Schadstoffe in der Atemluft nicht einhalten. Speziell für das hochgiftige Stickstoffdioxid (NO2) sei keine Senkung zu erwarten. So steht es im vertraulichen Entwurf einer Senatsdrucksache zum Luftreinhalteplan, welcher der taz vorliegt. „Für 2015 werden weiterhin deutliche NO2-Grenzwertüberschreitungen gutachterlich prognostiziert“, heißt es im Papier, das zur internen Berichterstattung an Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) dient.
Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft wird in Hamburg seit Jahren überschritten. 2011 beantragte die Hansestadt deshalb bei der EU-Kommission eine Fristverlängerung bis 2015, um Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes einleiten zu können. „Trotz eines umfangreichen Maßnahmenbündels“, so heißt es nun in der Drucksache, „konnte die Einhaltung des Grenzwerts bis 2015 nicht aufgezeigt werden.“ Deshalb drohten „nicht kalkulierbare finanzielle Lasten“ für die Stadt, falls die EU ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten sollte. Dieses dürfte zu Strafzahlungen in sechsstelliger Höhe führen – pro Tag der Zuwiderhandlung.
Die Volkspetition "Hamburg atmet auf" für die Einhaltung der EU-Richtlinie für Luftreinhaltung an Hamburgs Straßen hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gestartet.
Ziel: Der seit 2010 geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid soll überall in Hamburg bis spätestens Ende 2013 eingehalten werden.
Methode: An allen Hauptverkehrsstraßen sollen Luftmessstationen aufgestellt werden, um die Fortschritte zu überprüfen.
Verfahren: Bei mehr als 10.000 Unterschriften muss sich die Bürgerschaft mit der Petition befassen. Weitere Schritte wären Volksbegehren und Volksentscheid.
Hauptursache der Luftverschmutzung sei „eindeutig der Kfz-Verkehr“. Andere Verursacher wie Schiffe, Industrie und Gebäudeheizungen sorgten für Emissionen von 75 Prozent des Grenzwerts. „An den Verkehrsmessstationen tritt der lokale Einfluss des Kfz-Verkehrs hinzu und führt dort zu Grenzwertüberschreitungen“, schreiben die Verfasser des behördeninternen Papiers. So lag der Mittelwert 2011 an der Max-Brauer-Allee in Altona mit 67 Mikrogramm, in der Spitze sogar mit 74 Mikrogramm um mehr als 60 Prozent über dem Grenzwert.
Modellrechnungen hätten ergeben, dass die Einhaltung der Grenzwerte „nur mit sehr einschneidenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen möglich wäre“, heißt es in dem Papier, ohne Begriffe wie Umweltzone und City-Maut ausdrücklich zu nennen.
In der „umweltpolitischen Sackgasse“ sieht GAL-Fraktionschef Jens Kerstan den Senat. Trotz drohender Millionenstrafen der EU seien „alle wirkungsvollen Maßnahmen zum Tabu erklärt“ worden. „Dabei weiß der Senat längst, dass die EU keine Fristverlängerung gewähren wird“, so Kerstans Vorwurf. „Taktieren und etwas Bus-Tuning helfen da nicht weiter.“
Hamburg habe die dritthöchste Stickoxidbelastung unter den deutschen Großstädten, sagt Manfred Braasch vom Umweltverband BUND. Angesichts dessen sei „die Ignoranz der Umweltbehörde unglaublich“. Deshab werde der BUND mit der Volkspetition „Hamburg atmet auf“ für eine ernsthafte Umwelt- und Verkehrspolitik werben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück