Satiresendung über Millennials: Diese jungen Leute

Hashtag Mord! Ein Beitrag der Comedyshow „Late Night Berlin“ von Klaas Heufer-Umlauf ist eine erschreckende Parodie der Millennials.

Ein Mann mit Mütze und Jacke macht vor Bergsilouette eine Tanzfigur

Besser nicht hinsehen Foto: abhishek gaurav/Unsplash

Sollten Aliens einmal die Zeitkapsel finden, die ihnen den westlichen Homo sapiens sapiens im Jahr 2019 näherbringt, wenn unsere Spezies selbstverschuldet ausgestorben ist – dann sollte dieses Video zum Verständnis dabei sein. Es ist ein Satire-Beitrag der gestern gesendeten ProSieben-Show „Late Night Berlin“.

Die „Millennials“, gemeint ist die in den 1980er-Jahren geborene Generation, übernehmen darin den Traditionsonkel des deutschen Fernsehens: Den „Tatort“-Krimi. Das ist nicht lustig, sondern ein echter Grusel-Film. Wie die jungen Leute hier agieren, hätten sich die Frankfurter Kulturpessimisten des 20. Jahrhunderts nicht besser ausdenken können.

Die prominenten Moderator:innen Klaas Heufer-Umlauf und Palina Rojinski spielen die lächerlichen Vertreter:innen der „Millennials“. Sie in trendiger Schlaghose und Daunenjacke, er mit „Man Bun“, Metallgestell und Sherpa Trucker-Jacke (wem das nichts sagt, benutze das Internet, stupid!). Dabei sind Heufer-Umlauf, 35 Jahre alt, und Rojinski, 33, für aktive Influencer eigentlich 10 Jahre zu alt. Auch die Autorin dieses Artikels (Jahrgang 1993) versteht nicht mehr jedes Wort, es geht ja alles so wahnsinnig schnell in diesem Internet.

Am Tatort stellen sich Klaas und Palina einander mit Twitter-Namen und Follower-Anzahl vor. Bei den Millennials ersetzt das die Berufsbezeichnung und den behördlich eingetragenen Namen als Identitätsmarker, so die Message. Die beiden sind zwar als Ermittler:innen hier, stecken aber in der Generation Praktikum. Klaas: „Hab erstmal für drei Monate gedacht, eigentlich bin ich ja DJ und Barista.“ An der Auflösung des Falls – Achtung, Spoiler – kann Hauptkommissar Klaas am Ende übrigens nicht mehr teilnehmen, weil er sich erstmal darüber bewusst werden muss, was er eigentlich wirklich will.

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Ein Mord in Instagram-Optik

Der Ermordete gehört ebenfalls zur Spezies Mittzwanziger, erkennbar am grauen Hoodie. Die Leiche ist im Dab-Move erstarrt, eine durch den US-amerikanischer Quarterback Cam Newton berühmt gewordenen Tanzfigur. Auch bekannt durch das Online-Spiel Fortnite. Kenner:innen wissen, dass der Trend von 2015 ist und damit, so wie der Ermordete, klinisch tot. Dessen Todesursache: Erwürgen durch Jutebeutel. Der Ermittler trägt selbst so einen Klischeebeutel, dann war er es wohl selbst, hihi. Nicht erst seit „Fack ju Göhte“ ist beherzte Dummheit für die Älteren das Aushängeschild der Jugend.

Beim Beschau der Leiche zeigt die Ermittlerin eine ausgeprägte Markensensibilität. Sie muss würgen, weil diese weißen, kabellosen Kopfhörer so ekelhaft sind. An den Sneakern des Opfers zu lecken ist für sie aber kein Problem. Und ihr Geschmack trügt nicht: Sie erkennt das Modell, es ist schon im „Retail“ sehr teuer. Die jungen Ermittler:innen übernehmen beeindruckend flüssig die Begriffe des Verkaufssprechs. Das Smartphone hingegen: „Ein Opfermodell.“ Die ausgestellte Markenfixiertheit ist platter Humor, doch es steckt ein Funken Wahrheit drin. Egal ob NASA-Socken und FILA-Pulli, große Logos sind wieder en vogue, Naomi Klein hat verloren.

„Hey Leute vom Tatort! Ich hab grad ne echte Leiche inspiziert!“

Jetzt kommt die digitale Gesellschaft ins Spiel, deren verballhornte Mitglieder nur noch vor ihren Screens leben. Die Spurensicherung sichert die Beweislage mit der Smartphone-Kamera, Klaas gibt noch einen wichtigen Hinweis zur Filter-Auswahl, der Rest (die Suche nach dem Mörder) wird auf dem Weg zum Coworking-Revier live als Instagram-Story gestreamt. „Hey Leute vom Tatort! Ich hab grad ne echte Leiche inspiziert!“, wird die Netzgemeinde von Kommissarin Palina begrüßt. Denn die Follower der Ermittelnden nehmen per Live-Übertragung am Geschehen teil. Das Reale wird in die Ästhetik und Sprache der Plattform überführt.

Das ewige Geraune über die Social-Media-Abhängigkeit ist weder neu noch differenziert, es ist sogar ziemlich ausgelutscht. Das Schockierende an diesem Beitrag ist vielmehr die emotionale Überstrapazierung des Geschehens bei gleichzeitiger Emotionslosigkeit. „Irgendwie war das gerade schon SEHR belastend mit der Leiche und so“, sagt die Influencer-Kommissarin und es ist klar, sie ist mit den Gedanken nicht beim realen Geschehen, sondern bei ihren Followern.

Alles Fake, oder was?

Die Simulation wird zur Realität, sagte der Soziologie Jean Baudrillard 1981 über die damalige massenmediale Gesellschaft. Die Gesellschaft sei vom Spektakel beherrscht, befand der Kapitalismus-Kritiker Guy Debord drei Jahre zuvor. Das Prinzip des Warenfetischismus zeige sich da, „wo die sinnliche Welt durch eine über ihr schwebende Auswahl von Bildern ersetzt wird […]“, schrieb der französische Intellektuelle im Jahr 1978. Folgerichtig vermutet Kommissar Klaas hinter dem ganzen Mord eine Fernseh-Show.

Mittlerweile sind die Ermittelnden an ihrem Arbeitsplatz: Es ist eine Bar, eingerichtet mit Oma-Lampenschirmen und einer DJane am Plattenspieler. Das Gespräch schweift ab, es geht um Fitness-Programme. „Yoga oder Pumpen?“ lautet die Gretchenfrage. Hier soll die Selbstoptimierungs-Besessenheit deutlich werden, schließlich formt man sich nach dem Körperbild der Influencer.

Das anschließende Verhör mit Promi-Flair (Cameo-Auftritt von GNTM-Model Toni Dreher-Adenuga und Youtube-Star „Tanzverbot“) soll den Irrsinn einer medial verstrickten Gesellschaft zeigen. Was ist hier Bild, was ist Wirklichkeit, ist hier alles geskripted? „Das ist doch eine Fake-Persönlichkeit!“, schnauzt der Ermittler den Blogger und Instagram-König Riccardo Simonetti an, der im rosa Kuschelkostüm auftritt. „Jeder Mensch sollte sein dürfen, wer er wirklich sein will!“, erwidert Simonetti salbungsvoll. Das soll wohl den „Gender-Gaga“ der aktuellen identitätspolitischen Debatte parodieren.

Als der Mörder schließlich gefunden ist (er ist der Trash-Rapper MC Fitti), stimmen die Follower zwischen „Festnehmen“ und einem „Fortnite“-Tanz ab. Das Ergebnis stimmt hoffnungslos.

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